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widerfahrene Verfolgung habe bisher mir noch nicht das Publicum, welches überall mit Wärme mich aufnahm, entfremden können. Dieses ist richtig. Jedoch muß ich dem nun hinzufügen, daß jene Verfolgung allerdings geeignet ist, mir die Wege zum Publicum, wenn nicht zu verschließen, so doch derart zu erschweren, daß endlich wohl auch nach dieser Seite hin der Erfolg der feindlichen Bemühungen vollständig zu werden versprechen dürfte. Bereits erleben Sie, daß, nachdem meine früheren Opern fast überall auf den deutschen Theatern sich Bahn gebrochen haben und dort mit stetem Erfolge gegeben worden sind, jedes meiner neueren Werke auf ein träges, ja feindselig ablehnendes Verhalten dieser selben Theater stößt: meine früheren Arbeiten waren nämlich schon vor der Judenagitation auf die Bühne gedrungen, und ihrem Erfolge war nicht mehr Viel anzuhaben. Nun aber hieß es, meine neuen Arbeiten seien nach den von mir seitdem veröffentlichten ‚unsinnigen‘ Theorien verfaßt, ich sei damit aus meiner früheren Unschuld gefallen, und kein Mensch könne meine Musik jetzt mehr anhören. Wie nun das ganze Judenthum nur durch die Benutzung der Schwächen und der Fehlerhaftigkeit unsrer Zustände Wurzel unter uns fassen konnte, so fand die Agitation auch hier sehr leicht den Boden, auf welchem – unrühmlich genug für uns! – Alles zu ihrem endlichen Erfolge vorgebildet liegt. In welchen Händen ist die Leitung unsrer Theater, und welche Tendenz befolgen diese Theater? Hierüber habe ich mich öfters und zur Genüge ausgesprochen, zuletzt auch noch in meiner größeren Abhandlung über „Deutsche Kunst und deutsche Politik”[WS 1] die weitverzweigten Gründe des Verfalles unsrer theatralischen Kunst ausführlicher bezeichnet. Glauben Sie, daß ich damit in den betreffenden Sphären mich beliebt gemacht hätte? Nur mit größter Abneigung, sie haben dies bewiesen, gehen jetzt die Administrationen der Theater an die Aufführung

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Richard Wagner: Das Judenthum in der Musik (1869). J.J. Weber, Leipzig 1869, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wagner_Das_Judenthum_in_der_Musik_1869.pdf/42&oldid=- (Version vom 1.8.2018)

  1. Wagners Schrift Deutsche Kunst und deutsche Politik, 1867–68, behandelt die Frage: „was ist deutsch?“, um die sich Wagner obsessiv kümmerte, als er ab September 1865 für König Ludwig II. die auf 15 Teile geplante Artikelfolge konzipierte. Sie begann in der halbamtlichen Süddeutschen Presse zu erscheinen, wurde aber wegen königlichen Mißfallens auf Ministerialratsbeschluß eingestellt.