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Und dürfte hier einer der gewichtigsten das anscheinende Aufführen nichtbelehnter Schöffenbarer in der Heerschildsordnung sein, so wird dieser sein Gewicht verlieren, sobald wir die Mannen der freien Herren in einer andern landrechtlichen Klasse nachzuweisen vermögen; es steht dann nichts mehr im Wege, in den Schöffenbaren des fünften Heerschildes nur die belehnten Schöffenbaren zu sehen. Auch die sonstige Ausdrucksweise des Sachsenspiegels bei Aufführung der Heerschilde bietet für solche Auslegung kein Hinderniss; der zweite Heerschild wird ebenso einfach den Bischöfen, Aebten und Aebtissinnen zugesprochen; erst an anderen Stellen erfahren wir, dass sie nur insoweit den Heerschild haben, als sie vom Reiche belehnt sind; nicht grösser ist die Ungenauigkeit, wenn die Schöffenbaren schlechtweg genannt, und nur die belehnten gemeint sind.

Weiter scheint mir, dass freie Herren und freie Ritter ausser aller Lehnsverbindung uns eine Personenklasse darstellen, welche man allerdings für die Theorie vielfach in Rechnung zu bringen gewohnt ist, welche aber dem wirklichen Leben jener Zeiten so fremd gewesen zu sein scheint, dass kaum anzunehmen ist, der Verfasser des Sachsenspiegels, welcher doch unzweifelhaft zunächst nur die ihm thatsächlich bekannt gewordenen Zustände beachtete, habe dieselbe irgendwie berücksichtigt. Ich glaube nicht zu weit zu gehen in der Behauptung, dass sich für jedes Geschlecht freier Herren Lehnsverbindungen nachweisen lassen, wenn uns nur etwas eingehendere urkundliche Nachrichten über seine Besitzverhältnisse erhalten sind. Dass Ausnahmen nicht vorkamen, ist allerdings unmittelbar nicht wohl zu erweisen; wohl aber dürfte sich die Behauptung rechtfertigen, dass bisher keine solche Ausnahme für unsere Zeitperiode genügend erwiesen wurde. Was die Zeugnisse betrifft, welche für das Vorkommen einer solchen egregia libertas angeführt zu werden pflegen,[1] so werden wir den Welfen Ethiko und den Salier Konrad als früheren Zeiten angehörend übergehen können. Was sonst vorgebracht wird, wie die von Felix Hemmerlein erzählte Anekdote

  1. Vgl. Hüllmann Stände 178. Göhrum Ebenbürtigkeit 1, 57. 212.
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Julius von Ficker: Vom Heerschilde. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1862, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Heerschilde_166.jpg&oldid=- (Version vom 30.7.2017)