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zwei Arten von Künstlern in München und wohl auch anderwärts waren. Die echt künstlerisch gesinnten waren frohe, grundsolide Leute, die nichts aus sich machten, und die trotz aller Erfolge schlichte, natürliche Menschen blieben.

Adolf Oberländer: Studie.

Die andere Art ist weniger gut, aber sie hat die Aufmerksamkeit der Welt auf sich und allerdings auch auf die Münchener Kunst gezogen. Ihre Vertreter flogen von Erfolg zu Erfolg, pflegten eines wahrhaft fürstlichen Lebens und standen im Glanz und rauschenden Pomp als das da, was das liebe Publikum Malerfürsten nennt. Zu diesen hat Oberländer nie gehört. Aber er gehörte bis zu einem gewissen Grade wenigstens der Schule an, aus der die meisten von ihnen hervorgegangen waren, der Pilotyschule.

Es ist ein eigenartiges Geschick um die Pilotyschule. Es scheint wirklich, daß damals kein junger Künstler dem gefeierten Meister ausweichen konnte. Sie sind fast alle mehr oder weniger lange bei ihm gewesen; nur stellt sich heraus, wenn man genauer nachforscht, daß so sehr zufrieden mit ihm gerade diejenigen nicht waren, die wir heute als die besten seiner Schüler zu bezeichnen pflegen. Der Verfasser hat in diesen „Monatsheften“ schon darauf hinweisen müssen, daß z. B. Leibl nur so ganz unversehens in Pilotys Atelier geraten war und auch nur ungern darin aushielt. Auch Oberländer hat nicht die freudigsten Erinnerungen an jene Zeit, wo er grausame Hexenprozesse in sehr pedantischer Abstufung malen sollte. Bald mutete ihm Piloty zu, das Menschenfeindliche dieser Prozesse dadurch zu manifestieren, daß ein schönes junges Mädchen roh gequält wurde, bald sollte der ganze Graus der Institution an den hirnverbrannten Peinigungen dargetan werden, die man einem alten verhutzelten Weiblein antat. Solche ausgeklügelten Unglücksfälle, solch unwahrhaftiger Realismus und solche bewegungslose Posenstellerei waren nun aber Oberländers Geschmack nicht, und das Hexenbild, das er malen sollte, und mit dem er sich auch redlich, jedoch unlustig genug abgequält hat, ist bis auf den heutigen Tag nicht fertig geworden. Dagegen war nun das, was er in seinem offenen Blick für das Tatsächliche und in seiner ungezwungenen Einfachheit malen wollte, wiederum nicht nach Pilotys Geschmack.

Adolf Oberländer: Der Freier. (Entwurf.)

So schieden sich bald die Wege der beiden. Oberländer hatte nicht die Mittel, um jahrelang unfruchtbaren Studien nachzugehen, die ihm obendrein innerlich keine Förderung gewähren konnten. Deshalb trat er, um seinen Lebensunterhalt zu gewinnen und um machen zu dürfen, was ihm lieb war, bei den „Fliegenden Blättern“ ein. Lange Jahre wurde er dadurch der eigentlichen Malerei entfremdet, und es war ihm das ein nicht geringer Schmerz. Aber bei den

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Karl Voll: Adolf Oberländer. Westermann, Braunschweig 1905, Seite 809. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Voll_Adolf_Oberl%C3%A4nder.djvu/4&oldid=- (Version vom 1.8.2018)