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(Siel); dorthin mußten sie ihren Raub bringen. Es war aber die Nacht auf Ostern, und wie sie gegen Hornburg kamen, graute der Morgen des ersten Ostertags. Da der Kapellan in Neukirchen das heilige Osterfest nicht mehr einläuten konnte, so betete er es ein, und betete so inbrünstig, daß die Glocke den Händen der Räuber entfiel, wie sie dieselbe eben in’s Schiff bringen wollten, und in dem Siel versank. Noch klingt jeden Ostermorgen ihr Geläute aus der Tiefe herauf, und da unsre Väter noch Knaben waren, gingen die Kinder an dem Tage hin, das Läuten zu hören, und vernahmen wirklich die Glocke in der Tiefe.


2.

Im Flemhuder See liegt eine Glocke versunken, die vor vielen Jahren von Feindeshand aus der Kirche geraubt ist. Es war Winter und der See fest zugefroren; da wollten sie mit der geraubten Glocke über’s Eis ziehen, aber es brach in der Mitte des Sees, und die Glocke versank mit den Räubern. Da liegt sie noch jetzt, der Fischer hackt beim Fischen noch oft fest in dem Knebel mit seinem Netz, und an einem bestimmten Tage im Jahr um Mitternacht läutet die Glocke im See. Das haben Manche gehört, die noch am Leben sind.


Die Sage kehrt zu euch zurück,
Wie klingeln ihre Glöcklein!
Es gilt der Grafen Rantzau Glück,
Den Riß im grauen Röcklein!

Doch seyd ihr worden gar zu alt,
So wird sie euch nicht suchen;
Es ist noch Platz genug im Wald,
Unter den alten Buchen.

Empfohlene Zitierweise:
Theodor Storm, Theodor Mommsen: Schleswig-Holsteinische Sagen. Schwers’sche Buchhandlung, Kiel 1844, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Volksbuch_f%C3%BCr_Schleswig_Holstein_und_Lauenburg_1844_096.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)