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zugeschrieben und geglaubet, es müsse so und könne nicht anders seyn.

 §. 4.  Da man hieraus erkennen kan, daß der rechte Gebrauch der Finger einen unzertrennlichen Zusammenhang mit der gantzen Spiel-Art hat, so verlieret man bey einer unrichtigen Finger-Setzung mehr als man durch alle mögliche Kunst und guten Geschmack ersetzen kan. Die gantze Fertigkeit hängt hiervon ab, und man kan aus der Erfahrung beweisen, daß ein mittelmässiger Kopf mit gut gewöhnten Fingern allezeit den größten Musicum im Spielen übertreffen wird, wenn dieser letztere wegen seiner falschen Applicatur gezwungen ist, wider seine Ueberzeugung sich hören zu lassen.

 §. 5.  Aus dem Grunde, daß jeder neue Gedancke bey nahe seine eigene Finger-Setzung habe, folgt, daß die jetzige Art zu dencken, indem sie sich von der in vorigen Zeiten gar besonders unterscheidet, eine neue Applicatur eingeführt habe.

 §. 6.  Unsere Vorfahren, welche sich überhaupt mehr mit der Harmonie als Melodie abgaben, spielten folglich auch meistentheils vollstimmig. Wir werden aus der Folge ersehen, daß bey dergleichen Gedancken, indem man sie meistentheils nur auf eine Art heraus bringen kan, und sie nicht so gar viel Veränderungen haben, jedem Finger seine Stelle gleichsam angewiesen ist; folglich sind sie nicht so verführerisch wie die melodischen Passagien, weil der Gebrauch der Finger bey diesen letztern viel willkührlicher ist, als bey jenen. Vor diesem war das Clavier nicht so temperirt wie heut zu Tage, folglich brauchte man nicht alle vier und zwanzig Tonarten wie anjetzo und man hatte also auch nicht die Verschiedenheit von Passagien.

 §. 7.  Ueberhaupt sehen wir hieraus, daß man bey jetzigen Zeiten gantz und gar nicht ohne die rechten Finger geschicklich