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II. Vom Vermögen der Bürger und ihren Erwerbs-Quellen.


§. 13.

Die Reichsstadt Ulm hat in ihren – die Handwerke und Gewerbe betreffenden – Anordnungen hauptsächlich an zwei Grundsätzen festgehalten; der eine war: es soll Keiner ein Handwerk selbstständig treiben dürfen, der es nicht eine gewisse Reihe von Jahren hindurch erlernt und geübt und durch ein Meisterstück seine Tüchtigkeit darin nachgewiesen hätte; man erwartete, daß der Arbeiter durch längere Lehre und Uebung Geschick und Erfahrung erlangen, und daß die Aussicht auf die zu bestehende Meisterprobe ihm Antrieb seyn werde, die Lehr- und Wanderjahre nützlich anzuwenden, endlich, daß das Bestehen dieser Probe ihm sein Fortkommen verbürgen werde. Der zweite Grundsatz bestand darin: Jeder soll sein Handwerk nur innerhalb bestimmter Schranken zu treiben befugt seyn; in Folge hievon durfte er nur eine gewisse Zahl von Gesellen beschäftigen, nur Arbeiten verfertigen, welche in die scharfe Umgränzung seines Handwerks fielen, nicht mehrere Handwerke zugleich treiben: die Absicht hiebei war, daß möglich Viele neben einander sollten bestehen, und der durch Talent oder Geld weniger Begünstigte, was überall die Mehrzahl ist, mit dem Ausgezeichneten und Reichen sollte fortkommen können.

Der Vermehrung der Gewerbegenossen wurde dadurch Schranken gesetzt, daß der Meister nicht Mehrere zugleich in die Lehre nehmen, und nach dem Austreten des einen Lehrlings erst nach Umfluß einiger Zeit einen folgenden lehren durfte; Auswärtige wurden durch die schweren Bedingungen der Aufnahme ins Bürger- und Meisterrecht, durch Sizjahre etc. bald ganz, bald längere Zeit ferne gehalten.

Die Folge hievon war, daß das Handwerk, wie man sich ausdrückte, einen goldenen Boden hatte; daß es nicht sowohl Reiche, als einen wohlhabenden Mittelstand gab; Verarmung, wenn sie nicht durch Unglück oder liederliche Lebensweise verursacht worden, kam nicht leicht vor; sie trat als nothwendige

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Christoph Leonhard Wolbach: Ulmische Zustände. Ernst Nübling, Ulm 1846, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ulmische_Zust%C3%A4nde_17.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)