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Fräuleins Wache.


Ich geh’ all Nacht die Runde
Um Vaters Hof und Hall’.
Es schlafen zu dieser Stunde
Die trägen Wächter all.

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Ich Fräulein zart muß streifen,

Ohn’ Wehr und Waffen schweifen,
Den Feind der Nacht zu greifen.

O weh des schlimmen Gesellen!
Nach Argem steht sein Sinn.

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Würd’ ich nicht kühn mich stellen,

Wohl stieg’ er über die Zinn’.
Wann ich denselben finde,
Wie er lauert bei der Linde,
Ich widersag’ ihm geschwinde.

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Da muß ich mit ihm ringen

Allein die Nacht entlang;
Er will mich stets umschlingen,
Wie eine wilde Schlang’;
Er kommt vom Höllengrunde,

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Wie aus eins Drachen Schlunde,

Gehn Flammen aus seinem Munde.

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Uhland: Gedichte von Ludwig Uhland (1815). J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1815, Seite 203. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:UhlandGedichte1815_0203.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)