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nicht schon in ihrem Blute gegründet sey, wird mich niemand überreden. Manche Schriftsteller haben schon oft in ihren Werken Thränen darüber vergossen, daß die alten Ritter ihre Tugenden mit sich in’s Grab genommen, und ihre Laster den Enkeln zurückgelassen hätten. Es lohnte sich daher wohl der Mühe, einen Vergleich unter beiden anzustellen: dies wäre kein geringer Beitrag zur Geschichte der Menschheit.

Das Unpopuläre und Verzärtelte in dem Karakter des hiesigen Adels schreibe ich größtentheils der sklavischen Erziehung der Kinder zu. Ich will versuchen, ob es mir gelingt, dir einen dunkeln Begriff davon zu machen.

Sobald der junge Graf oder Baron der Brust der Amme entwöhnt ist, (daß die Großen ihre Kinder hier so wie an andern Orten nicht selbst säugen, kannst du dir leicht vorstellen;) fällt er unter die Ruthe des Hofmeisters, der gemeiniglich ein sogenannter Schöngeist seyn muß. Ich könnte dir Beispiele erzählen, wo man diese Klasse von Leuten geschickten und in der Erziehung erfahrnen Männern vorgezogen hat. Freilich muß es der gnädigen Frau

Empfohlene Zitierweise:
Anonym (= J. N. Becker): Ueber Mainz. In Briefen an Freund R.. , Auf einer Rheininsel [= Frankfurt/Main] 1792, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_Mainz_(1792).pdf/94&oldid=- (Version vom 22.11.2023)