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trieben. Unter andern war auch ein gewisser Priester da zu sehen, so bald er aus der Kirche gieng, kam ein Mädchen, nahm ihm den Hut von Kopf, und lief damit fort. Ein Haarkräußler, der eben vorüber kam, that dem Herrn die Gefälligkeit, und lief dem Mädchen nach, um den Hut wieder zu erobern, gab ihm aber unterdessen eine Schachtel zu besorgen, die er unter dem Arm trug. Es währte lange und kein Haarkräußler wollte zum Vorschein kommen. Der Herr Kanonikus gieng nach Hause, und fand zu seinem größten Erstaunen, daß ein Kind in der Schachtel lag. Doch muß der geistliche Herr das Kind nicht ernähren, wie an manchem andern Ort der Grundsatz zu herrschen pflegt, sondern es fiel dem Fiskus heim, wie es auch nach den ächten Grundsätzen des peinlichen Rechts geschehen muß.

Ueberhaupt trift man auch unter der hiesigen Geistlichkeit meist gutdenkende Männer an. Man höret nicht, daß sie dem Volke allerley Mährchen aufbürdet, um Geld für ein Paar Dutzend Messen zu erschnappen, wie in andern geistlichen Staaten zu geschehen pflegt. Ich hörte sogar neulich die Predigt eines Weltgeistlichen, der die Geistlichkeit, welche

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Anonym (= J. N. Becker): Ueber Mainz. In Briefen an Freund R.. , Auf einer Rheininsel [= Frankfurt/Main] 1792, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_Mainz_(1792).pdf/65&oldid=- (Version vom 22.11.2023)