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Lobenswürdig ist’s, daß man sehr für die Bekanntmachung und klare Darstellung der Ver- und Gebote sorget. Gleich werden neue Verordnungen durch das Intelligenzblatt in der Stadt bekannt gemacht, auf den Dörfern aber von der Kanzel abgelesen, und von dem Prediger dem unerfahrnen Landmanne der Inhalt getreu aus einander gelegt. Ueberhaupt ist die Gesetzgebung sehr gut beschaffen. Der Bürger kann Alles thun, was den bürgerlichen Gesetzen nicht entgegen läuft, und man schränket die Handlungen des Unterthanen nicht ein, wo es die Wohlfahrt des Staates nicht nothwendig macht. Was ich zu tadeln finde, ist, daß man zu viele Gesetze macht, welches auf den Staat nicht den besten Einfluß haben kann.

Der peinliche Prozeß ist hier so vollkommen, als ich ihn in keinem geistlichen Staate fand. Die Gefängnisse sind sehr ordentlich beschaffen; der Missethäter wird nicht so tyrannisch wie an manchem andern Orte behandelt. Man weiß, daß er noch allzeit Mensch bleibt, und daß man ihn also nicht in die Klasse der Unthiere setzen müsse. Die Todesstrafen scheint man von hier gänzlich verbannt zu haben. Man weiß sich fast nicht mehr zu erinnern, daß einer hier vom Leben zum Tod gebracht worden. Die Folter, wodurch schon mancher Schuldige befreit, und mancher Unschuldige zum Tode verdammt worden, hat man gänzlich abgeschaft. Es ist auch nicht

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Anonym (= J. N. Becker): Ueber Mainz. In Briefen an Freund R.. , Auf einer Rheininsel [= Frankfurt/Main] 1792, Seite 171. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_Mainz_(1792).pdf/171&oldid=- (Version vom 22.11.2023)