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der schönsten im ganzen Deutschland. Ihr vortreflicher Thurm macht auf den Fremden einen ungemein seltsamen Eindruck. Er ist durchaus von Steinen aufgeführt und mag dem Domkapitel eine ansehnliche Summe gekostet haben. Hier möchte ich fragen: warum doch der Mainzer ein so großes Wohlgefallen an kleinen Zierereien findet. Fast an keinem einzigen Gebäude sieht man die edle Simplizität, die man anderswo gewahr wird. Dieser Domthurn giebt uns einen abermaligen Beweis davon. Doch dies wäre so sehr noch nicht zu verargen, wenn er seine Entstehung den vorigen dunkeln Jahrhunderten zu verdanken hätte. Allein derselbe steht noch keine 20 Jahre, und seine Verzierungen wurden wahrscheinlich in den sonderbaren Ideen eines Prachtliebenden entsponnen. Dies macht dem Mainzer um so weniger Ehre, da er doch immer den besten Geschmack vor seinen Nachbarn behaupten will. Baukenner versichern auch, daß sein Gewicht viel zu schwer sey, und das Gewölbe der Kirche mit der Zeit einstürzen könnte. Den Dom selbst wird man ausser dem Dache kaum gewahr. Er ist ringsum mit kleinen Häusern und Krämerbuden umgeben,

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Anonym (= J. N. Becker): Ueber Mainz. In Briefen an Freund R.. , Auf einer Rheininsel [= Frankfurt/Main] 1792, Seite 160. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_Mainz_(1792).pdf/160&oldid=- (Version vom 22.11.2023)