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bestätigt werden. Der Tumulus beim Dorfe Renkoï, welcher von Frederik Calvert ausgegraben ist, sowie der von seinem Bruder ausgegrabene Tumulus des Patroklos, enthielten keine Spur weder von Asche, noch von Holzkohle oder Knochen. Der eine der 3 kegelförmigen Hügel auf dem Plateau, beinahe am äussersten Ende der Höhen von Bunarbaschi, welcher in der Neuzeit allgemein als das Grab des Hektor angesehen worden war und der im October 1872 von dem berühmten Anthropologen Sir John Lubbock ausgegraben ist, enthielt keine Spur von Kohlen, Asche oder Knochen, aber er enthielt Massen von Scherben bemalter griechischer Vasen aus dem 3ten Jahrhundert v. Chr. Daher ist es unmöglich, dass die Chronologie dieses sogenannten Hektorgrabes über das 3te Jahrhundert v. Chr. hinausgehen könnte. Im April 1873 grub Frau Sophie Schliemann den jetzt Pascha Tepe genannten Tumulus aus, dessen Lage genau mit der Beschreibung stimmt, die uns Homer (Il. II, 811—815) vom Grabe der Βατίεια, der Frau von Dardanus giebt: „Vor der Stadt, seitwärts in der Ebene, ist ein gewisser hoher Tumulus, der umlaufbar ist; die Menschen nennen ihn Βατίεια, die Unsterblichen nennen ihn das Grab der schnell hüpfenden Myrine. Dort stellten sich die Trojaner und ihre Verbündeten gesondert auf.“ Frau Schliemann grub vom Gipfel dieses Tumulus einen 4eckigen Schacht von 15 Fuss Länge und 13 ½ Fuss Breite und erreichte in 15 Fuss Tiefe den naturwüchsigen Fels, in welchen sie noch über 1 Fuss tief vordrang. Sie fand in dieser Ausgrabung weder Spuren von Knochen, noch von Kohlen oder von Asche, und nur ungefähr 50 Scherben von vorhistorischen Vasen, die aber nicht zusammen, sondern in den verschiedenen Tiefen zerstreut gefunden wurden. Ich habe noch die Nachforschungen zu erwähnen, welche der französische Gesandte Choiseul Gouffier 1788 durch einen Juden in den dem Achilleus und dem Ajax zugeschriebenen Tumuli machen liess. In dem letzteren wurden nur die Ruinen des von Hadrian restaurirten Tempels gefunden, in ersterem dagegen mehrere relativ moderne bemalte griechische Vasen, sowie eine Statuette von Bronze aus römischer Zeit, und waren diese Gegenstände dort wahrscheinlich vorher von demselben Juden versteckt worden, um eine grosse Belohnung zu erlangen. Von Asche, Kohlen oder Knochen auch dort keine Spur. Folglich bleibt der Zweck dieser in der Troas gelegenen, schlechthin Heldengräber genannten künstlichen, kegelförmigen Hügel noch ein Räthsel.

In der Ebene von Troia, deren Topographie ich bis jetzt beschrieben habe, muss die Baustelle des homerischen Ilion gesucht werden.

Im ganzen Alterthum, bis zur Zeit der Diadochen, wurde die Identität der Baustelle des Ilion der griechischen Colonie mit der des homerischen Troia als bestimmte, über allen Zweifel erhabene Thatsache angesehen. Dies griechische Ilion war am Ende einer Bergkette gelegen, die sich weit in die Ebene ausdehnt, und seine Akropolis war unmittelbar daneben auf dem famosen Berge Hissarlik, welcher nach N. und W. den letzten Ausläufer jener Bergkette bildet und unter einem Winkel von 50° nach der Ebene abfällt.

Diese Akropolis bestieg Xerxes auf seinem Zuge nach Griechenland 480 v. Chr. Herodot (VII, 43) erzählt dies Ereigniss wie folgt: „Als die Armee den Skamander erreichte, den ersten Fluss nachdem sie Sardes verlassen hatte, wurde dessen Wasser getrunken und erschöpft und genügte nicht, den Durst der Menschen und Thiere zu befriedigen. Als Xerxes an diesen Fluss kam, stieg er zur Pergamos des Priamos hinauf, denn er hatte das Verlangen sie zu sehen, und nachdem er sie gesehen und sich nach ihren Schicksalen erkundigt hatte, opferte er der ilischen Minerva 1000 Ochsen, und die Magier gossen den Helden Trankopfer aus. Nachdem sie dies gethan hatten, verbreitete sich in der Nacht Schrecken im Lager, und bei Tagesanbruch zog das Heer ab und passierte zur Linken die Städte Rhoeteion, Ophrynion und

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Schliemann: Troia und seine Ruinen. , Waren 1875, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Troia_und_seine_Ruinen.pdf/8&oldid=- (Version vom 9.12.2016)