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Dicke, in einer uralten vorhistorischen Stadt aufgefundenen Töpferwaaren. Wie bekannt wurde diese Insel von jenem, nach Berechnung competenter Geologen wenigstens 2000 Jahre v. Chr. ins Meer versunkenen, 3800 Fuss hohen Centralvulkan verschüttet. Es ist aber durchaus zweifelhaft, dass der Vulkan sogleich, nachdem er die Insel verschüttet hatte, versunken ist; vielleicht ist dies erst Jahrhunderte später geschehen. Zwischen der dort gefundenen Töpferwaare befinden sich mehrere den troianischen ähnliche Typen, so z. B. die Kannen mit sehr langem, hinten übergebogenem Halse, welche eine Frau darstellen sollen, denn sie haben zwei hervorstehende Brüste und gemalte Ohrringe; dann die Vasen mit einer oder zwei Röhrchen an jeder Seite zum Aufhängen mittels einer Schnur. Aber fast alle Vasen und Kannen sind auf dem Töpferrade, nur wenige sind aus der Hand gemacht; ferner sind fast alle bemalt und zeigen einige Exemplare sogar, sowohl im Fabrikat wie in der Malerei, sehr viel Kunst. Die Häuser sind, wie in Troia, aus kleinen Steinen und Erde gebaut, aber die inneren Wände sind mit einer dicken Kalkschicht belegt und haben Malereien. Ich erinnere daran, dass in Troia jede Spur von Kalk und Farbe fehlt und dort alle Verzierungen in den Thon geschnitten sind, als dieser noch weich war. Waffen und Werkzeuge von Stein kommen gar nicht vor. Im Ganzen genommen scheinen daher diese uralten santoriner Töpferwaaren im Vergleich zu den troianischen ganz modern. Noch gar viel jünger aber sind die von mir in Mykenae aufgegrabenen Vasen und Bruchstücke, obgleich, wie bereits erwähnt, die ältesten derselben auf 1300 bis 1400 v. Chr. zurückreichen und die Stadt nach ihrem Untergang, 468 v. Chr., nie wieder bewohnt worden ist. Fast alle Mykenische Töpferwaare hat glänzend rothe kreisförmige Verzierungen, und sowohl die Terracotta als auch die Malerei scheinen unvergänglich zu sein, denn die grosse Baustelle ist mit Billionen von Topfscherben bedeckt, die seit 2300 Jahren der brennenden Sonne, dem Regen und allen Winden ausgesetzt sind und doch nichts von ihrer Frische oder von ihrem Glanze verloren haben. Das Charakteristische der grossen Vasen in Mykenae ist, dass sie an jeder Seite einen grossen, mit zwei oder drei durchbohrten Löchern versehenen Henkel, und in gleicher Richtung zwei oder drei Durchbohrungen im Fusse haben, um an Schnüren getragen zu werden. Die wohlbekannte Architektur der Schatzkammer des Agamemnon und zweier Häuser, die ich in meinen Schachten auf der ersten Terrasse der Akropolis von Mykenae theilweise blosslegte, ist jedenfalls die Bauart, die Homer fortwährend vor Augen hatte und mit ξεστοϊσι λίθοισι bezeichnete. Die Sage, welche ihm die Einzelheiten von Troias tragischem Ende kundgab, hatte ihm die Bauart der Stadt verschwiegen; er beschreibt daher immer nur die Architectur, die er selbst sah.

In der kleinen Sammlung vorhistorischer Alterthümer in der Universität zu Neapel sah ich die Bruchstücke einer in den Abruzzen gefundenen, aus der Hand gemachten, glänzend schwarzen Vase mit zwei Rohren zum Aufhängen, ganz wie die Vasen der allerältesten Stadt in Hissarlik. Das Museum von Vannes in der Bretagne enthält zwei Bruchstücke einer Vase mit Doppelröhren von ganz derselben Art und anscheinend demselben Alter. Das Museum von St. Germain-en-Laie hat eine Vase mit einfachen verticalen Röhrchen, ganz so wie die Vasen der zweiten Stadt auf Hissarlik sind, die ich mit dem homerischen Ilion identificire. Das Museum in Boulogne s/m hat in der Sammlung römischer Vasen, unter N. 326, eine aus der Hand gemachte vorhistorische Kanne mit hintenübergebogenem Halse, die ganz so ist wie die troianischen Kannen.

Im Brittischen Museum sind in der Sammlung assyrischer Alterthümer zwei mit eingeschnittenen Verzierungen und Röhrchen zum Aufhängen versehene Vasen von Nimrud, die den troianischen sehr ähnlich sehen; ferner bronzene Streitäxte und Schleudern von Magneteisenstein ganz wie die troianischen Streitäxte und Schleudern. In der Sammlung werthvoller Gegenstände

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Heinrich Schliemann: Troia und seine Ruinen. , Waren 1875, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Troia_und_seine_Ruinen.pdf/20&oldid=- (Version vom 1.8.2018)