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mit welchen der gelehrte Doctor Aretaeos in Athen das ganze Skelett wieder zusammengesetzt hat. Ich fand in dieser ersten Stadt ausserdem das Skelett einer Frau mit ihren goldenen Schmucksachen; es befand sich in schiefer Lage in den verkohlten Ruinen eines Hauses, welches augenscheinlich in einer Feuersbrunst zerstört war; die Frau wird daher lebendig verbrannt sein. Dies wird auch durch die Thatsache bewiesen, dass alle vorhistorischen Völker, welche den Berg bewohnt haben, die Gewohnheit hatten, ihre Todten zu verbrennen und die Leichenasche in Urnen beizusetzen, von denen ich hunderte fand. Unter den troianischen Vasen habe ich noch jene in Gestalt von Schweinen, Stachelschweinen, Maulwürfen, Bären und Hippopotami zu erwähnen, die an Stelle des Schwanzes eine schornsteinartige Oeffnung haben; diese letztere ist durch einen Henkel mit dem Rücken verbunden. Sehr interessant sind auch die unzähligen Gegenstände aus Knochen und Elfenbein für den Gebrauch der Frauen, die sehr schweren Schleudern aus Magneteisenstein, die kupfernen Pfeile in der primitiven Form von kopflosen Nägeln und endlich die vielen herrlichen Formsteine von Micaschiefer, in Gestalt von Parallelepipeden, die an jeder ihrer sechs Seiten mit Formen zum Giessen der verschiedenartigsten Waffen versehen sind, von denen uns die meisten jetzt durchaus unbekannt sind. Ich erwähne noch die vielen kleinen Urnen phantastischer Form mit einem Henkel über der Oeffnung und einer kleinen Röhre im Bauch, welche als Milchflaschen für Säugekinder gebraucht sein müssen. Ausser den grossen δέπα αμφιχύπελλα mit zwei mächtigen Henkeln fand ich mehr als zwanzig verschiedene Arten von Bechern. Ich fand dort auch zwölf Inschriften, von denen John Murray in seiner englischen Ausgabe meines Werks nach Prof. Martin Haug in München und Prof. Theod. Gompertz in Wien die Uebersetzung giebt. Sie sind griechisch, aber in uralten kyprischen Schriftzügen gegeben und beweisen über jeden Zweifel, dass die Troianer griechisch sprachen. Dies wird ferner dadurch bewiesen, dass, nachdem der primitive bildliche oder ideale Begriff von Athenes Epitheton γλαυχώπις vergessen war, die Troianer verstanden, dass γλαύξ die Eule und ώψ das Gesicht bedeutet, und γλαυχώπις in das Eulengesicht materialisirten, welches sie ihrer Schutzgöttin gaben. Die troianischen Inschriften sind einfache Widmungen an die Götter oder an Helden. Nach Prof. Martin Haug liest man die eine δίω Σίχω oder Σίγω und da ich auf gar vielen Terracotten die erste Silbe dieses Namens „Si“ eingeschnitten fand, so ist er der Meinung, dass die Troianer unter anderen einen Gott oder Heros mit Namen Sigo oder Siko verehrten, dessen Namen wir in dem der troianischen Stadt Sigeion, im Namen von Sigia, der Baustelle von Alexandria-Troas, und im Namen von Sikyon im Peloponnes wiedererkennen. Letztere Stadt hatte in der That als König den Troianer Echepolos, den Sohn von Anchises, den Bruder von Aeneas (Il. XXIII, 296). Prof. Haug erkennt auch im Namen des Skäischen Thors und in dem des Skamander die Etymologie von Sigo oder Siko.

Was nun die Aehnlichkeit der troianischen Gegenstande mit den anderswo entdeckten Alterthümern betrifft, so sind die troianischen geschliffenen Beile, Hämmer und Streitäxte von Diorit durchaus von derselben Form, wie man sie in allen Museen vorhistorischer Alterthümer sieht. Die Werkzeuge weiblicher Handarbeit von Knochen und Elfenbein haben meistens die Gestalt der in den Pfahlbauten der Schweiz gefundenen. Jene merkwürdigen, durchbohrten, kegel- und kreiselförmigen Wirtel von Terracotta sind denen vollkommen ähnlich, die man in den Terramaren in Italien findet. In der Sammlung zu Modena finden sich sogar zwölf mit Verzierungen wie sie auch in Troia vorkommen. Hinsichtlich der troianischen Terracotta-Vasen aber bemerke ich, dass sie einige Aehnlichkeit haben mit den von dem Director der französischen Schule in Athen auf der Insel Santorin, unter drei Schichten vulkanischer Asche und Bimmstein von 40 bis 80 Fuss

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Heinrich Schliemann: Troia und seine Ruinen. , Waren 1875, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Troia_und_seine_Ruinen.pdf/19&oldid=- (Version vom 1.8.2018)