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aber wahrscheinlich fortan nur die Bedeutung „grossäugig und eulenäugig“ hatten. In diesen 3ten und letzten Zeitabschnitt gehören die homerischen Gesänge.

Es ist wiederholt behauptet worden, dass die eulengesichtigen troianischen Vasen und Idole nicht die γλαυχώπις Άθήνη darstellen können, da ähnliche Vasen und Idole mit Eulengesichtern in Deutschland gefunden seien. Dies ist aber ein grosser Irrthum. Die beiden kleinen Gesichtsvasen im Museum in Breslau sind unecht und noch nicht 25 Jahre alt, und alle in den übrigen Museen Deutschlands verteilten Gesichtsvasen, im Ganzen 57 an Zahl, stammen ohne Ausnahme aus der Pommerellen genannten Gegend Westpreussens. Diese sind aber himmelweit von den trojanischen Gesichtsurnen verschieden, denn, während letztere stets mit Schamtheil, zwei Brüsten, zwei Flügeln, einem nicht zu verkennenden Eulengesicht mit hoch hervorstehenden Augenbraunen und mit einem Helm dargestellt sind, auf dem das Frauenhaar angegeben ist, und während alle diese Theile der Figur aus dem Thon der Vase selbst und mit dieser zusammen modellirt worden sind, sind bei den Pommerellischen Urnen die Gesichter erst aufgesetzt, nachdem diese schon vollkommen fertig aber noch nicht gebrannt waren, und zeigt ein jedes derselben, dass der Fabrikant kein Vogel-, sondern ein Menschengesicht hat darstellen wollen. Man sieht dies sowohl daran dass, mit einer einzigen Ausnahme, stets die Augenbraunen fehlen, als auch daran, dass nur höchst selten der Mund fehlt, der sogar oft Zähne hat, ferner an den 2, 3, 4, 5 und 6 Mal durchbohrten und mit Ohrringen von Eisen und Bronze, mit Glas- und Bernsteinperlen verzierten Ohren, sowie an dem Fehlen der hier natürlich nie vorkommenden Flügel. Und was nun gar das Alter dieser Pommerellischen Gesichtsurnen betrifft, so erlauben uns die Glasperlen und das Eisen, mit denen sie stets zusammen gefunden werden, keinenfalls, sie über den Anfang unserer Zeitrechnung oder alleräusserst über 100 Jahre vor Christus hinaufzurücken, während selbst die neuesten troianischen Eulengesichtsurnen um mehr als 2000 Jahre älter sein müssen. Diese können daher unmöglich zu jenen in irgend welcher Beziehung stehen.

Ebensowenig können mit den troianischen Eulengesichtsurnen das Geringste gemein haben die mehrfach am Rhein und vielfach in Italien vorkommenden römischen Gesichtsurnen, welche, ebensowenig wie die pommerellischen Vasen irgend eins der charakteristischen Zeichen der troianischen haben. Noch muss ich hervorheben, dass alle pommerellischen Gesichtsurnen ohne Ausnahme als Leichenurnen gebraucht sind, während die troianischen wegen ihrer geringen Grösse und ihres engen Halses nur als Idole oder sonst irgendwie bei der Gottesverehrung angewandt sein können.

In Bestätigung dessen was ich über den symbolischen Charakter der auf den troianischen Terracotten eingeschnittenen Verzierungen gesagt habe, will ich hier nur auf N. 379, Tafel XXIX meines Buchs (ed: John Murray) aufmerksam machen. Wir sehen dort deutlich das Gestirn des grossen Bären auf dem Rücken eines Thiers mit offenem Maul und hervorstehender Zunge; es sind da noch zwei andere himmlische Thiere, ein Altar, ein Blitz und 4 卍.

Da die Stadt augenscheinlich sehr reich war und in einer furchtbaren Katastrophe durch Feindes Hand zerstört wurde, da in derselben ferner die grosse Ringmauer sowie der grosse Thurm mit dem doppelten Thor gefunden ist, dessen Lage vollkommen mit der des homerischen Skaeischen Thors übereinstimmt, da ausserdem die Stadt in den Tiefen des Berges Hissarlik liegt, den die Tradition des ganzen Alterthums als die Baustelle des homerischen Troia bezeichnete: so kann es durchaus keinem Zweifel unterliegen, dass dies wirklich die von Homer besungene und von den Griechen zerstörte Stadt, dass dies das Ilion unsterblichen Ruhmes ist.

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Heinrich Schliemann: Troia und seine Ruinen. , Waren 1875, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Troia_und_seine_Ruinen.pdf/17&oldid=- (Version vom 1.8.2018)