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und einen kleinen Mund und zwei mächtige Griffe. Ich glaube, dass Aristoteles (Hist. animal. IX, 40) sich irrt[WS 1], wenn er sagt, dass die Bienenzelle die Gestalt eines άμφιχύπελλον hat. Die grösste, ja die erhabenste Autorität für Erklärung der homerischen Texte muss nothwendigerweise Homer selbst sein, und da bei ihm (wie z. B. Odyss. III, 41, 46, 50 und 63 und XXII, 9—10 und 86) das δέπας άμφιχύπελλον stets synonym ist mit άλεισον άμφωτον; welches unmöglich etwas anderes bedeuten kann als „Becher mit zwei Henkeln“, so kann auch δέπας άμφιχύπελλον unmöglich etwas anderes bedeuten als dies. Indem Athenaeos (Deipnos. 783) vom homerischen δέπας άμφιχύπελλον spricht, erwähnt er gar nicht die Meinung des Aristoteles, sagt aber dass nach der Meinung des Asklepiades, des Myrleaniers, unter άμφιχύπελλον nichts anderes zu verstehen ist als dass der Becher „άμφίχνϙτον“ ist. Der folgende Satz aber lässt keinen Zweifel darüber, dass unter letzterem Worte „mit zwei Henkeln“ zu verstehen ist, und findet man dies auch in Franz Passow’s griechischem Lexikon bestätigt. Solche δέπα άμφιχύπελα aus Terracotta fand ich in allen drei oberen vorhistorischen Städten und sammelte mehr als hundert davon. Wegen ihres spitz zulaufenden Fusses können sie nur auf den Mund hingestellt werden. Ihre Form ist sehr praktisch, da derjenige, der einen solchen Becher gefüllt in der Hand hat, gezwungen ist ihn zu leeren; und da er nur auf den Mund hingestellt werden kann, so bleibt er immer rein.

Ich fand ausserdem im Schatz sechs lange, flache Klingen reinsten Silbers, deren eines Ende rund, deren anderes in Form eines Halbmondes ausgeschnitten ist. Höchst wahrscheinlich sind dies die Talente, welche so oft von Homer erwähnt werden und welche nur klein sein konnten, denn Achilles setzt (Il. XXIII, 262—270) als ersten Kampfpreis eine Frau, als zweiten ein Pferd, als dritten eine Casserole oder einen Kessel, als vierten 2 Talente und als fünften eine φιάλη άμφίθετος, d. h. eine Schale mit 2 Henkeln. Ich fand ferner in dem Schatz 4 grosse silberne Vasen mit einer halbkugelförmigen Basis; auf einer derselben ist in der Feuersbrunst der obere Theil einer anderen festgelöthet. Die grösste silberne Vase enthielt zwei prachtvolle goldene Diademe, welche, wie Herr W. E. Gladstone, der frühere Premierminister von England, meint, die homerischen πλεχτάί άναδέσμαι sind; sie sind mit 100 Idolen der Minerva mit Eulengesicht verziert. Die Vase enthielt ferner ein goldenes Stirnband, wahrscheinlich άμπυξ von Homer genannt, 4 sehr künstliche lange goldene Ohrringe mit Idolen, 56 goldene Ohrringe von sehr phantastischer Form, 6 goldene Armbänder, 8750 kleine durchbohrte Gegenstände von Gold in Gestalt von Prismen, Würfeln, Wagenachsen u. s. w., wovon die meisten mit 8 oder 16 eingravirten Linien verziert sind. Die grosse silberne Vase enthielt ferner 2 Becher, von denen der eine von Gold, der andere von Elektron war. Ich fand ausserdem im Schatz 2 herrliche silberne Vasen mit Röhrchen an den Seiten zum Aufhängen mittels einer Schnur, 13 Lanzen, 14 Streitäxte, 7 Dolche, ein langes Messer, die Bruchstücke eines Schwertes und eine Waffe unbekannten Gebrauchs — diese letzteren Stücke von Bronze. Alle diese Gegenstände des Schatzes waren einst in einer, natürlich längst verschwundenen, viereckigen hölzernen Kiste enthalten, deren Gestalt sie bewahrt hatten. Ausserdem beweist der zusammen mit dem Schatze gefundene grosse kupferne Schlüssel die einstige Existenz der Kiste. Es scheint, dass während der schrecklichen Katastrophe der Stadt der eine oder andere von der Familie des Herrn oder Königs es versucht hat mit dem Schatze zu entfliehen, dass er aber, sei es durch die Feuersbrunst, sei es durch den Feind, gezwungen worden ist, denselben auf der Mauer zurückzulassen. Ich fand in den Zimmern des Palastes des letzten Stadtherrn oder Königs eine sehr grosse Menge herrlicher Vasen, unter anderen eine zweiundsechzig Centimeter hohe, welche die Minerva mit Eulengesicht, einem grossen Halsbande und schön graviertem Gürtel darstellt (Tafel I, Fig. 2).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: irrrt
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Heinrich Schliemann: Troia und seine Ruinen. , Waren 1875, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Troia_und_seine_Ruinen.pdf/14&oldid=- (Version vom 1.8.2018)