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ist. Die verkohlten Trümmer aller Häuser, die Schicht von Schlacken von geschmolzenem Blei und Kupfer, welche sich über die ganze Stadt ausdehnt, die Schätze von Gegenständen aus Gold und Silber, welche auf verschiedenen Stellen gefunden wurden, und endlich die Skelette von Menschen, alle diese Dinge lassen keinen Zweifel darüber. Die ungeheure Menge von Vasen und Töpfen phantastischer Form, welche ich in den Ruinen dieser Stadt sammelte, zeigen dieselbe Fabricationsweise wie die Terracotten der vorhergehenden Stadt, tragen jedoch das Gepräge grösserer Kunst und Civilisation; auch wurden hier viele neue Typen gefunden. Während alle die Tausende von den in diesem Stratum gefundenen Vasen, Töpfen, Schüsseln u. s. w. von Terracotta aus der Hand gemacht sind, entdeckte ich mehr als hundert auf der Töpferscheibe gedrehte, sehr roh gemachte Terracotta-Teller, wie die S. 114 und 215 meines Werks abgebildeten. Diese Teller sind die einzigen Erzeugnisse des Töpferrades in den vorhistorischen Städten Hissarliks, denn keine der beiden oberen Nationen, deren Ruinen ich beschrieben, hat das Töpferrad angewandt. Ich erwähne hier, dass die troianischen Vasen mit nur wenigen Ausnahmen an jeder Seite ein senkrechtes Röhrchen, und in derselben Richtung ein Loch im Munde und im Deckel haben, um aufgehängt oder an einer Schnur getragen zu werden; die meisten Vasen haben 3 Füsse; viele andere haben eine convexe Basis, so dass sie gar nicht stehen können, ohne angelehnt oder in den Sand gestellt zu sein. Die Wichtigkeit dieser Stadt offenbart sich besonders in ihrer mächtigen Ringmauer, ihrem grossen Thurm, ihrem doppelten Thor und dem grossen Hause ihres letzten Herrn oder Königs, welches unmittelbar vor diesem Thor liegt. Alle diese Bauten bestehen aus mit Erde verbundenen unbehauenen Steinen, während die übrigen Häuser der Stadt aus ungebrannten Ziegeln gebaut waren, welche an vielen Stellen durch die Feuersbrunst in gebrannte Ziegel verwandelt sind. In dieser Stadt entdeckte ich, in einer Tiefe von 28 bis 31½ Fuss, 3 Schätze, wovon die beiden kleinern von meinen Arbeitern gestohlen und versteckt, später aber von der türkischen Regierung in Besitz genommen und im Museum in Constantinopel ausgestellt wurden. Der eine derselben bestand, nach dem Levant Herald von Ende December 1873, in einem 5 bis 6 Pfund wiegenden und mit Holzkohlen vermischten Klumpen Gold, der augenscheinlich von in der Freuersbrunst zusammengeschmolzenen Schmucksachen herrührte. Der andere Schatz bestand aus verschiedenen goldenen Schmucksachen, die in einer mit einem Deckel versehenen und mit Erde wohl verkitteten Vase mit Frauenkörper, Flügeln und Eulengesicht enthalten waren. Den dritten und bei Weitem grössten Schatz entdeckte ich selbst auf der grossen Ringmauer, dicht neben dem Hause des Stadtherrn oder Königs. Er besteht aus einem grossen kupfernen Nabelschild, einer grossen kupfernen Casserole mit zwei horizontalen Griffen, einer mit zwei unbeweglichen Radern (die als Haspen gedient haben müssen) versehenen langen kupfernen Platte, auf welcher in der Feuersbrunst eine silberne Vase festgelöthet ist, einer grossen runden Flasche aus reinem Golde, einem sehr grossen goldenen Becher in Form eines Schiffs, der nichts anderes sein kann als das homerische δέπας άμφιχύπελλον[1]; er hat einen grossen


  1. Der Typus dieser Becher muss sich sehr lange in der Ebene von Troia erhalten haben, denn zwei derselben, zwar verkrüppelter, aber doch vollkommen gleicher Gestalt, die Tafel 32 unter Nr. 787 und 788 im Atlas meines Werkes, „Troianische Alterthümer“ ed. F. A. Brockhaus, abgebildet sind, wurden in nur 2 Meter Tiefe gefunden und gehören, nach dem Thon und der Anfertigung zu urtheilen, in die Kategorie jener 70 Gefässe, die ich am Ende meiner Vorrede beschrieben und wowon ich gesagt habe, dass sie unmöglich weder den vorhistorischen noch den hellenischen Gefässen zugesellt werden können, sondern von einem Volke herrühren müssen, das nur kurze Zeit vor Gründung des griechischen Ilion den Berg Hissarlik bewohnt hat. Ohne Zweifel ist daher diese Art Becher zu Homers Zeit in Gebrauch gewesen.
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Heinrich Schliemann: Troia und seine Ruinen. , Waren 1875, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Troia_und_seine_Ruinen.pdf/13&oldid=- (Version vom 15.12.2020)