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Ist sonst so mild! Ich hab’ ihn oft behorcht;
Des Nachts durchwandelt er des Schlosses Gänge,
Mit bloßem Schwert’, und ruft „Abdullah, komm,

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Wir wollen fechten, Blut will Blut“ – Almansor!

Dich darf er nimmer schau’n, entflieh! entflieh!
Der Väter Feindschaft bringt den Kindern Tod.
Mit meinem Schleyer will ich dich umhüllen,
Daß meines Vaters Blick dich nimmer treffe.

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Ich seh’ dich in Gefahr, und es erwachen

All die Gefühle, die mich einst bewegten,
Als wir noch Braut und Bräut’gam kindisch spielten,
Als du den morschen Apfelbaum erklettert,
Als ich dich weinend, und mit bangen Bitten,

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Herunterlockte von der schlimmen Höh’.

     (Sinnend.)
„Todt[1] ist Almansor“ sagten böse Leute,
Und böser Kunde glaubte böses Herz,
Und Braut des fremden Mannes ward Zuleima!
Ich will dich lieben, wie man liebt den Bruder, –

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Sey mir ein Bruder, lieblicher Almansor!

     (Sie sieht zur Erde, und seufzt: „Almansor!“)

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Tod (s. Verbesserungen)
Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Heine: Tragödien nebst einem lyrischen Intermezzo. Dümmler, Berlin 1823, Seite 190. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tragoedien_nebst_einem_lyrischen_Intermezzo_190.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)