„Da seh ich wieder das Kuckloch. Und steht auch wieder auf. Erkältest Du Dich nicht?“
„Nein, mein Jung’. Und jedenfalls, es läßt sich nicht anders thun. Wenn ich das Fensterchen zumache, krieg’ ich keine Luft. Und Nachts … Gefahr is nicht … ’rein stehlen kann sich keiner; solche dünne Kerle giebt es gar nicht. Und dann hab ich ja auch die Pistole.“
„Ist es immer noch die alte, die nicht losgeht?“
„Natürlich. Auf das Losgehn kommt es bei Pistolen auch garnicht an. Die moralische Wirkung entscheidet dabei. Das Moralische entscheidet überhaupt.“
„Meinst Du?“
„Ja, das mein’ ich. Ich bin erst spät dahinter gekommen, aber besser spät als gar nicht. Und nun komm in die Vorderstube. Ich merke, Luise hat schon aufgetragen und wenn mich meine Sinne nicht täuschen, übrigens bin ich auch ein bischen eingeweiht, so ist es eine geschmorte Kalbsbrust. Erster Gang. Ißt Du so was?“
„Gewiß ess ich so was. Kalbsbrust ist ja das allerfeinste, besonders was so dicht dran sitzt.“
„Ganz mein Fall. Es ist doch merkwürdig, wie sich so alles forterbt. Ich meine jetzt nicht im
Theodor Fontane: Meine Kinderjahre. Berlin: F. Fontane & Co., 1894, Seite 279. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Theodor_Fontane_%E2%80%93_Meine_Kinderjahre.djvu/287&oldid=- (Version vom 1.8.2018)