Es ist ein hübsches Wort, daß die Kinder ihren Engel haben und man braucht nicht sehr gläubig zu sein, um es zu glauben. Für die Kleinen ist dieser Engel eine mit einem langen weißen Lilienschleier angethane Fee, die lächelnd zu Füßen einer Wiege steht und entweder vor Gefahr bewahrt oder wenn sie schon da ist, aus ihr hilft. Das ist die Fee für die Kleinen. Ist man aber aus der Wiege, beziehungsweise dem Bettchen heraus und schläft man bereits in einem richtigen Bett, mit andern Worten ist man ein derber Junge geworden, so braucht man freilich auch noch seinen Engel, ja, man braucht ihn erst recht, aber statt des Lilien-Engels muß es nun eine Art Erzengel sein, ein starker, männlicher Engel, mit Schild und Speer, sonst reicht seine Kraft für seine mittlerweile gewachsenen
Theodor Fontane: Meine Kinderjahre. Berlin: F. Fontane & Co., 1894, Seite 254. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Theodor_Fontane_%E2%80%93_Meine_Kinderjahre.djvu/262&oldid=- (Version vom 1.8.2018)