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und liebenswürdig zugleich, dabei voll Geistesgegenwart. Einmal in eine Gesellschaft geladen, wurde er aufgefordert, sich an den Spieltisch zu setzen. Das Erste was er sah, waren ungestempelte Karten. Er erhob sich einfach von seinem Platz und ging in das Nebenzimmer, um da mit den Damen zu plaudern. Die Karten verschwanden natürlich sofort. Koenigk, als wir nach Swinemünde kamen, war schon mehrere Jahre lang Wittwer und lebte zurückgezogener als andere. Von seinen beiden Söhnen aber war der ältere dann und wann auf Besuch im väterlichen Hause. Dieser ältere, Karl, hatte sich dem Baufach gewidmet und bekleidete zuletzt ein Direktorial-Amt (Betriebsdirektor) an der Anhalter Eisenbahn. Er beschloß seine Tage in einer kleinen Stadt am Harz. Der jüngere Bruder, Louis, führte ein eigenthümlich wechselvolles Leben. Er war stark in die Demagogenbewegung verwickelt und hatte Festungshaft zu verbüßen. Als er wieder frei kam, kam auch er vorübergehend in’s väterliche Haus und ich entsinne mich seiner, aus jener Zeit her sehr wohl. „Er war für Freiheit und kam auf die Festung,“ in diese Lapidarworte faßte mein Vater die Situation zusammen und ich meinerseits war voller Theilnahme, weil ich in dem Ganzen etwas Heldenmäßiges und Opferfreudiges sah, das mir als solches imponirte.

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Theodor Fontane: Meine Kinderjahre. Berlin: F. Fontane & Co., 1894, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Theodor_Fontane_%E2%80%93_Meine_Kinderjahre.djvu/104&oldid=- (Version vom 1.8.2018)