Frau von Flemming war eine geb. Koenigk. Ihr Vater starb früh, aber ihr Oheim lebte noch in den hier von mir zu schildernden Tagen. Es war das der alte Steuerrath Koenigk. Er nahm, neben Landrath v. Flemming wohl die erste Stellung ein, so wenigstens erschien es mir, was übrigens möglicherweise nur darin seinen Grund hatte, daß ich, in Folge von vielen noch aus der Zeit der Continental-Sperre herrührenden Geschichten, vor Jeglichem was mit Steuer und Douane zusammenhing, einen großen Respekt hegte. So war einer dieser Geschichten nach, ich glaube im Jahre 9, der Versuch gemacht worden, eine Schiffsladung voll Vanille einzuschmuggeln, selbstverständlich eine Sache von sehr bedeutendem Werth. Die Douane kam indessen dahinter und belegte die ganze Ladung mit Beschlag. Aber nicht das allein, auch vernichtet mußte die Ladung werden und so wurden denn hunderte von Vanillekisten auf dem großen Marktplatz über einander geschichtet und angezündet. Dies geschah zufällig bei nebligem Wetter und so kam es denn, daß der die Flamme niederdrückende Nebel die Stadt einen ganzen Tag lang in eine Vanillen-Atmosphäre hüllte. Wo so was vorkommen konnte, da spielte die Steuer natürlich eine Rolle. – Steuerrath Koenigk war ein Herr von sehr feinen Sitten, ernst
Theodor Fontane: Meine Kinderjahre. Berlin: F. Fontane & Co., 1894, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Theodor_Fontane_%E2%80%93_Meine_Kinderjahre.djvu/103&oldid=- (Version vom 1.8.2018)