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erging sich gern in mitunter grotesken Ausmalungen, über die er dann auch wieder zu lachen verstand. Aber daß meine ganz auf Verständigkeit und beinah Nüchternheit gestellte Mutter, ihm in Allem, was alt-französische Verwandtschaft anging, nicht blos nacheiferte, sondern ihn darin wo möglich noch übertrumpfte, das durfte füglich überraschen. Es war das einer jener halb räthselhaften Widersprüche, wie sie sich in jeder Menschennatur vorfinden. Indessen, worin immer auch der Grund gesucht und gefunden werden möge, Thatsache bleibt es, daß sich meine Mutter – die, wenn dies Thema zur Verhandlung kam, selbst den sonst so gefeierten „Onkel Mumme“ fallen ließ – für ganz nahe verwandt mit dem Cardinal Fesch hielt, der, bis zur Wiederherstellung des bourbonischen Königthums, Erzbischof von Lyon war. Cardinal Fesch, geboren zu Ajaccio und erst 1839 in Rom gestorben, war der Stiefbruder der Lätitia Bonaparte, also nicht mehr und nicht weniger als der Onkel Napoleon’s, durch dessen Beistand er denn auch seine große Laufbahn machte. Mit Hülfe welcher Ueberlieferung es meiner Mutter gelungen war, diese vornehme Verwandtschaft festzustellen, habe ich nie in Erfahrung gebracht; ich weiß nur, daß es ein Schauspiel für Götter war, wenn wir, selbst

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Theodor Fontane: Meine Kinderjahre. Berlin: F. Fontane & Co., 1894, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Theodor_Fontane_%E2%80%93_Meine_Kinderjahre.djvu/029&oldid=- (Version vom 1.8.2018)