Bald wird das gantze Land in Krieg und Mord gesetzet,
Geplündert, ausgeheert, biß auf das Hembd geschätzet.
Denn folget theure Zeit, denn schwere Hungers-Noth.
Zwey Brüder schlagen sich nur um ein Bißlein Brodt.
Bald kommt der Würgemann, der bleiche Tod, gelaufen,
Und nimmt die Menschen hin bey ungezehlten Haufen,
Sieht nicht, wer groß, wer klein, wer arm ist oder reich.
In allen Ecken liegt ein unbegrabnes Leich.
Bald wird ein liebes Kind zur Erden hingetragen,
Und das nicht einmal nur in so viel Jahr und Tagen,
Denn auch das fünfte Weib. Bald kommt ein neues an,
Die Tochter kriegt ein Kind, wird Mutter ohne Mann.
Bald kommt ein Feuers-Brunst, bald schwere Leibes-Seuchen.
Im gantzen Haus ist nichts als Stehnen oder Keichen.
Bald bricht ein schlauer Dieb durchs Fenster oder Wand.
Bald geht ein Schuldner durch, und sucht ein fremdes Land.
Und wer kan alle Müh und Jammer doch aussprechen?
Des Unglücks ist so viel als Teutschen in den Zechen,
Als Hasen in dem Busch, als Prahler ohne Muth,
Als Huren ungedeckt, als Junckern ohne Gut,
So viel als Mohrenland hat Kokernüß und Affen,
Als Heuchler sind zu Rom und kahlgeschorne Pfaffen,
Als Mücken in der Luft, zu Hofe falsche Ehr,
Als Titel ohne Grund und sonsten nichtes mehr,
So viel als Löcher sind in einem härnen Siebe,
Als Schneider zu Paris, als auf der Mühlen Diebe,
Als England gute Schaaf, als Schweden Steine trägt,
Als Lieschen schwartze Flöh mit beyden Daumen schlägt,
So viel als Härlein seyn in einer Zoblen-Mützen,
Als Sperling in dem Lentz, als Frösch in allen Pfützen,
Als Köpfe sonder Hirn, als Tropfen in dem Rhein,
Als Flüche bey dem Spiel, als Narren bey dem Wein.
Das zarte Weiber Volck pflegt insgemein zu bitten,
Um Schönheit der Gestalt und Höflichkeit der Sitten.
Joachim Rachel: Teutsche Satyrische Gedichte. Christian Ludewig Kunst, Berlin 1743, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Teutsche_satyrische_Gedichte_Wolfenbuettel.djvu/72&oldid=- (Version vom 1.8.2018)