Ist Jemand Welt-gelahrt, der Rechten wie geflissen,
In Räncken abgeführt, und träget sein Gewissen
Um Geld und Gaben feil, hat nichts als Vortheil lieb;
Was kan er anders seyn als ein vermumter Dieb?
Kommt er bey Fürsten auf; Was weiß er nicht zu finden,
Das arme Bürger-Volck biß auf den Grad zu schinden?
Macht alles mit Gewalt und Listen unterthan
Und streicht der Dienstbarkeit die schönsten Farben an.
Hat sich ein rauher Mensch zur Artzeney begeben;
Er läst den krancken Mann nicht lang in Schmertzen leben.
Will er kein gut mehr thun; So bringt er ihn zur Ruh,
Gibt ihm den lezten Trunck, und nimmt das Geld dazu.
Hat aber Jemand gar der Plauder-Kunst geschworen
Und ist wie von Natur zum Streiten nur gebohren,
Ein steifer Haberecht, in allen Stricken schnell,
Der nichts im Munde führt als seinen Zabarell,
Und Meister Wandersmann, der nie sich läst bedeuten,
Gibt kein gewonnen Spiel, hat Lieb und Lust zu streiten;
Ein solcher macht sich selbst bey Jedermann verhast
Und ist auf teutsch ein Narr, auf Griechisch ein Phantast.
Wie manchen hat so gar der Dünckel eingenommen,
Daß er auch bey ihm selbst nicht kan zu Schlusse kommen:
Welch Ansehn, welcher Dienst, welch Leben, welcher Stand
Nur seiner würdig sey. Das gantze weite Land
Hat einen Kantzler nur; Sonst wär es wohl ein Fressen.
In einer Priester-Zunft gantz oben angesessen,
Ein Probst, ein Bischof seyn in einem gantzen Stift,
Das ist ein selten Glück und das nur einen trift.
In einem Dorfe stehn, die Bauren-Kirche füllen,
Das kan ein ieder thun, der eine gute Brillen
Zu seinem Schultzen hat, ein Veix, ein Mennonist,
Der heute kaum getauft und Lehrer worden ist.
So laß denn deine Kunst in guten Schulen hören.
Was? Ich? Ein Schulfuchs? Ich? Solt ich die Knaben lehren?
Joachim Rachel: Teutsche Satyrische Gedichte. Christian Ludewig Kunst, Berlin 1743, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Teutsche_satyrische_Gedichte_Wolfenbuettel.djvu/66&oldid=- (Version vom 1.8.2018)