Wiewol nach Indien auch näher ist zu kommen.
Nur fort die Elbe lang den sichern Weg genommen,
Biß auf die Festung zu, wo man die Wilden schleust,
Wo man Brasilisch Holtz mit eisern Zähnen beist.
Ein ander meint, daß er den Himmel eingenommen:
Wenn er für aller Welt mag hoch zu Brete kommen,
Bey Fürsten seyn gesehn, in güldner Dienstbarkeit
Und stoltzer Sclaverey verbringen seine Zeit.
Hat gern daß neben ihm das gantze Volck sich beuge,
Und mit entblöstem Haupt biß auf die Erde neige.
Spricht lauter Steltzen-Wort, erhebt, indem er spricht,
Die Augen hoch empor. Kennt keinen Bruder nicht,
Noch einen alten Freund, der nur zu Fusse gehet,
Und itzo neben ihm ein armer Ritter stehet,
Da er auf einem Gaul von tausend Thaler sitzt,
Der wild von geiler Lust sich hebet, schäumt und schwitzt.
Es laufen um ihn her die Pagen und Laquayen,
Von Jungen sag ich nicht, es möchte Steine schneyen,
Geschnürt, gebrämt, geputzt, da keiner ist so klein,
Der ihm nicht selber auch ein Herr bedünckt zu seyn.
Was solte der nicht thun, der solch ein Volck kan miethen
Und nur mit einem Winck den Stutzern darf gebiethen?
Er kennt sich selber kaum. Er hat den stoltzen Staar.
Er war nicht der er ist. Er ist nicht, der er war:
Und ob er muß gestehn, dafern er nicht will liegen,
Daß er durch weiß und schwartz so hoch empor gestiegen.
Doch hält ers sehr verdeckt. Er meidet das Latein.
Ein ieglich ander Wort muß nur Frantzösisch seyn.
Frantzösisch Mund und Bart, Frantzösisch alle Sitten,
Frantzösisch Tuch und Wambs, Frantzösisch zugeschnitten.
Was immer zu Paris die edle Schneider-Zunft
Hat neulich aufgebracht, auch wider die Vernunft,
Das liebt dem Teutschen zu. Solt ein Frantzos es wagen,
Die Sporen auf dem Hut, die Schuh an Händen tragen
Joachim Rachel: Teutsche Satyrische Gedichte. Christian Ludewig Kunst, Berlin 1743, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Teutsche_satyrische_Gedichte_Wolfenbuettel.djvu/60&oldid=- (Version vom 1.8.2018)