Das Geld ist eben gut und stinckt nach keinen Waaren,
Und könnte mans von Koth und Harn zusammen sparen,
Wie iener Kayser thät. Mein Sohn, auf dieser Welt,
Man sage was man will, gilt mir nichts mehr als Geld.
Geld macht die Narren klug, erhebt zu Ehren-Ständen.
Es redet ohne Mund, gewinnt mit stillen Händen.
Es steurt die Jungfern aus, gibt Adel und Geschlecht,
Macht rechte Sachen krumm, und krumme Sachen recht.
Dem fält der Vater bey. Diß lernen alle Knaben,
So oft ein kleines Kind will einen Sechsling haben
Zum weissen Morgen-Brodt, daß er zur Schulen geh.
Die Mägdlein lernens auch noch vor dem A, B, C.
Noch möcht ich einen wohl von solchen Eltern fragen:
Was eilest du du Narr? Vor Jahren und vor Tagen
Wird niemand völlig klug. Gib Zeit. Du wirst es sehn,
Wie weit der Schüler wird dem Meister übergehn.
Gleichwie der Telamon dem Aiax muste weichen,
Der Vater seinem Sohn, und wie in allen Streichen
Achilles übertraf des Peleus alten Ruhm;
So wird dir auch geschehn. Nur laß die zarte Blum
Erst aus dem Kraut hervor. Laß ihn zu Jahren kommen.
Sobald der Scherer ihm den ersten Bart genommen,
Da wirst du Wunder sehn. Er wird für aller Welt
Ein falscher Zeuge seyn, um ein geringes Geld
Verfluchen Leib und Seel. Ja, kan es Geld eintragen;
Er wird wohl eine That auf Galg und Rad hin wagen.
Was dir bey Jahren lang mit grosser Müh gelung,
Dasselbe glücket ihm vielleicht in einem Sprung,
Behüte GOtt! Sprichst du, erschrocken und verfehret:
Ein solches hab ich ihm mein Lebtag nicht gelehret.
Vielleicht hast du die Wort so groß nicht ausgesagt;
Doch ist die Schuld an dir, daß er ein solches wagt.
Wer seinen Sohn befiehlt zu kratzen und zu schinden,
Wer einen Narren heist, der auch die harte Rinden
Joachim Rachel: Teutsche Satyrische Gedichte. Christian Ludewig Kunst, Berlin 1743, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Teutsche_satyrische_Gedichte_Wolfenbuettel.djvu/46&oldid=- (Version vom 1.8.2018)