Geh grade fürwerts hin, mein Kind, nicht hinter dich.
Möcht er nicht sprechen: Du mein Vater lehre mich
Und geh mir grade vor. Wie kan ein Alter schlagen
Und straffen seinen Sohn, ob er in vierzehn Tagen
Kaum einmal nüchtern ist, der selber sucht den Schmauß
Und sauft in Floribus zwey Dutzent Gläser aus.
Wenn dich ein fremder Gast will kommen heimzusuchen;
Da geht das Treiben an mit Schelten und mit Fluchen:
Magd, kehr die Stuben aus, räum alles von dem Tisch,
Thu weg das Spinn-Geweb mit einem Flederwisch,
Spül alle Bächer aus, vergiß der silbern Kannen
Und grossen Humpen nicht. Geh, Huren-Kind, von dannen.
Daß dich der Hagel schlag. Zünd etwas Mastich an
Und fege bald hinweg, was dort der Hund gethan.
Du Narr, ist dir so viel und hoch daran gelegen,
Daß einem fremden Gast nichts faules lieg in Wegen:
Warum läst du dir nicht die höchste Sorge seyn:
Wie daß dein gantzes Hauß sey aller Laster rein:
Wie alles ordentlich und richtig möge stehen,
Damit dein zartes Kind nichts ärgerlichs mag sehen?
Es preiset dich die Stadt und hält dich Ehren werth,
Daß du mit einem Sohn die Bürgerschaft verehrt;
Jedoch, so fern du ihn mit Fleiß hast auferzogen
Dem Lande Dienst zu thun, zum Handwerck oder Bogen,
Zur Pflugschaar oder Schwerdt, wo nicht? zu einem Mann,
Der mit Verstand und Rath zum Besten dienen kan;
Der klug und tüchtig ist die Unschuld zu verfechten,
Versteht der Käyser Satz, zusammt den Landes-Rechten,
Der nicht bey tausenden zu Leipzig hat verzehrt,
Und bringt Geschicklichkeit kaum dreyer Heller werth.
Daran liegt mächtig viel, mit welcher Lehr und Leben,
Zu welchen Sitten du pflegst Unterricht zu geben
Und leiten deinen Sohn. Der Storch fleucht an den Bach
Und sucht die Schlangen auf, und geht den Fröschen nach,
Joachim Rachel: Teutsche Satyrische Gedichte. Christian Ludewig Kunst, Berlin 1743, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Teutsche_satyrische_Gedichte_Wolfenbuettel.djvu/40&oldid=- (Version vom 1.8.2018)