Der hebt nicht alles auf. Kanst du den über-Reichen
An seinem grossen Schatz und Vorrath nicht wol gleichen;
So ist nur wenig gnug. Spann alle Sinnen an.
Wer weiß, was nicht dein Fleiß dir mehr erwerben kan?
Schreib wenig, wo nicht viel das nach der Arbeit schmecket.
Ein kleines Wercklein hat oft großen Ruhm erwecket.
Zwey Zeilen oder drey von Buchnern aufgesetzt,
Seyn billig mehr als diß mein gantzes Buch geschätzt.
Nur eine Fliege wol und nach der Kunst gemahlet
Ist seines Lobes werth, und wird so wol bezahlet
Als nach des Lebens Maaß ein großer Oliphant,
Den nur ein Sudler hat geschlagen von der Hand.
Kanst du kein Opitz seyn, kein theurer Flemming werden:
O es ist Raum genung vom Himmel biß zur Erden.
Ist schon der Eymer nicht biß an den Henckel voll,
Was dann? Die süsse Milch schmeckt darum eben wol.
Hat Holland Heins und Catz? Es finden sich wo minder.
Ist Ronsard Franckreichs Sohn? Es hat wol schlechte Kinder.
Ob schon die Fichte scheint die Wolcken anzugehn;
Noch darf ein Rosenbusch sich auch wol lassen sehn.
Alleine meng dich nicht mit den vermeßnen Thieren,
Die alles ohn Bedacht fort in das Buch hinschmieren.
Auch sieh dich eben für, daß deine Arbeit nicht
Sey allzu sehr genau und sorglich eingericht
Nach Hirsen-Pfriemers Art, wann er also darf setzen:
Der Ertz-Gott, Jupiter, der hatte sich zu letzen
Ein Gastmahl angestellt. Die Weidinn gab das Wild,
Der Glutfang den Toback, der Saal ward angefüllt,
Die Obstinn trug zu Tisch in einer vollen Schüssel,
Die Freye saß und spielt mit einem Liebes-Schlüssel,
Der kleine Liebreitz sang ein Tichtling auf den Schmauß,
Der trunckne Heldreich schlug die Tageleuchter aus,
Die Feurinn kam dazu aus ihrem Jungfern-Zwinger
Mit Schnäblen angethan, Apollo ließ die Finger
Joachim Rachel: Teutsche Satyrische Gedichte. Christian Ludewig Kunst, Berlin 1743, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Teutsche_satyrische_Gedichte_Wolfenbuettel.djvu/101&oldid=- (Version vom 1.8.2018)