Seite:Taschenbuch von der Donau 1824 019.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

der Geliebten eilen wollte. Da sagte der Vater: „Ich fürchte, mein Sohn, daß meine Vorhersagungen nur zu bald eingetroffen sind. Das ganze Städtchen spricht zweideutig von Crescentias Umgang mit dem Obersten, und bedauert dich. Der Oberst scheint deine Abwesenheit für sich wohl benutzt zu haben, und spielt seit deiner Entfernung die Rolle eines erklärten, ja, was noch mehr sagen will, eines begünstigten Liebhabers. Ich will die Gerüchte, die über Crescentias Betragen umlaufen, weder nachsagen noch zergliedern, nicht einmal glauben, doch väterlich warnen will ich dich noch einmal. Und nun gehe hin und prüfe mit eigenen Augen.“ – Wilhelm ging, mehr traurig als froh, und zwischen Glauben und Zweifel getheilt. Die Sonne war bereits untergegangen, als er die Wohnung des Obervogts betrat. Mit sichtbarer Freude empfing die Familie den Wiedergekehrten, aber Crescentia fehlte. Auf seine Erkundigung erfuhr er, daß sie noch im Garten sey, aber mit jedem Augenblicke heimkommen müsse. Aengstlich harrte er ihrer Ankunft entgegen. Sie erschien endlich, als die Dämmerung bereits in Nacht überging, und der Oberst war ihr Begleiter. Das fuhr ihm durchs Herz. Dennoch suchte er sich möglichst zu fassen, und seine Begrüssung war würdevoll und warm: Crescentia war kälter, fremdartiger. Zwar konnte ihre steife Abgemessenheit aus

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Neuffer (Hrsg.): Taschenbuch von der Donau 1824. Stettinische Buchhandlung, Ulm 1823, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Taschenbuch_von_der_Donau_1824_019.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)