Jonathan Swift, übersetzt von Johann Heinrich Waser: Mährgen von der Tonne | |
|
nicht widerstehen. Denn an der Spize eines Trupps neuerer Bogenschüzen erblikte sie ihren lieben Sohn Wotton, welchem die Parcen einen sehr kurzen Lebensfaden bestimmt hatten; Wotton, den jungen Helden, welchen ein unbekannter Vater von dem Geschlechte der Sterblichen, mit dieser Göttin in heimlicher Liebe erzeuget hatte. Er war der Liebling seiner Mutter, vor allen ihren übrigen Kindern aus; und gleich entschloß sie sich hinzugehen, ihm Muth einzusprechen. Zuvor aber befand sie für gut, nach alter löblicher Gewohnheit der Götter eine andere Gestalt anzunehmen, damit der Glanz ihrer Gottheit ihm seine sterblichen Augen nicht blenden, und seine übrigen Sinnen nicht betäuben möchte: Also verwandelte sie sich; und brachte ihre ganze Person in einen Octavband zusammen: Ihr Leib ward weiß und dürre, und zersplitterte vor Trukenheit in Stüke. Aus den dikern würden Seitendekel, und aus den dünnern Papier; auf welches ihre Eltern und Kinder einen schwarzen Saft von Galle und Ruß, in Form der Buchstaben künstlich aufsprizten; der Kopf, die Stimme und die Milz blieben unverändert, und was vorhin lederner Ueberzug bey ihr war, das blieb solches auch nach ihrer Verwandlung.
In dieser Gestalt gieng sie den Neuern entgegen, und sah darinn Bentley, Wottons vertrautestem Freunde so ähnlich, daß man sie nicht unterscheiden konnte. Dapferer Wotton, sprach sie, warum stehen unsere Völker hier müssig? Warum lassen sie ihre Hize so verrauchen,
Jonathan Swift, übersetzt von Johann Heinrich Waser: Mährgen von der Tonne. [recte: Orell in Zürich], Hamburg und Leipzig 1758, Seite 295. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Swift-Maehrgen_von_der_Tonne-1758.djvu/314&oldid=- (Version vom 1.8.2018)