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nahe, oder gar ohne allen Zierrath:[1] Inzwischen geschah, daß ehe sie noch einen Monat in der Stadt gelebet hatten, die Mode aufkam, grosse Axelbänder[2] zu tragen. So gleich trug alle Welt Axelbänder. Niemand ließ sich vor dem Frauenzimmer sehen, ohne die gehörige Anzal Axelbänder. Dem Kerl dort, schrie man, mangelt es gewiß an der Seele; wo hat er die Axelbänder? Eine betrübte Erfahrung lehrete die drey Brüder bald, was es wäre, keine Axelbänder zu tragen. Wo sie immer hinkamen, da wurden sie auf die empfindlichste Art darüber aufgezogen und beschimpfet: Kamen sie in die Komödie, so wies sie der Thürhüter auf die Groschengalerie. Ruften sie einen Kahn herbey; gut sprach der Bootsmann, aber ihr werdet helfen rudern: Kamen sie in ein Weinhaus; hier schenkt man kein Bier, rufte ihnen der Kellermeister zu. Wollten sie einer Dame die Aufwartung machen, so hielt sie der Diener vor dem Zimmer an: Wie weit ihr Herren, wer seyt ihr? was verlanget ihr? ich will es melden, und die Antwort gleich wieder heraus bringen. In diesem unglüklichen Zustand säumten sie nicht ihres Vaters Testament zu Rathe zu ziehen, und durchlasen es einmal und


  1. Dieses ist der wesentliche Charakter der christlichen Religion. Ammianus Marcellinus, ein Heid, schreibet von ihr, Christiana Religio absoluta & simplex.      W. Wotton.
  2. Der erste weder zur Erbauung noch zum Wolstand dienende Prunk und Zierrath, der in die Kirche eingeführet ward, so wie Axelbänder ebenfalls weder Nuzen oder Symmetrie haben.
Empfohlene Zitierweise:
Jonathan Swift, übersetzt von Johann Heinrich Waser: Mährgen von der Tonne. [recte: Orell in Zürich], Hamburg und Leipzig 1758, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Swift-Maehrgen_von_der_Tonne-1758.djvu/109&oldid=- (Version vom 1.8.2018)