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Friedrich Gottlob Wetzel
als Beiträger zu Heinrich von Kleists „Berliner Abendblättern“.
Zu Kleists hundertjährigem Todestage.


Zu dem Kreise der Dresdener Schriftsteller, die an Kleists und Adam Müllers „Phöbus“ mitarbeiteten, gehörte neben Gotthilf Heinrich Schubert auch Friedrich Gottlob Wetzel. Wetzel hat in der Literaturgeschichte kein eigenes Nachleben geführt. Ein etwas verkanntes Genie, ist er schon bei Lebzeiten nicht zu rechter Geltung gekommen; sein Name wäre wohl gänzlich vergessen worden, hätte er nicht im „Phöbus“ neben dem Kleists gestanden, der ihm immerfort Licht verlieh. Neuerdings aber ist Wetzel wieder um seiner selbst willen auf die literarische Bildfläche gehoben worden, und zwar durch Franz Schultz in seinen Untersuchungen über den Verfasser der „Nachtwachen von Bonaventura“.[1]

Man wird sich erinnern, wie vor einiger Zeit, nicht ohne Hundertjahrsanlaß, plötzlich die 1805 anonym erschienenen „Nachtwachen von Bonaventura“ in literarhistorischen Kreisen Aufsehen erregten, und wie in raschen Disputationen, Aufsätzen und erwünschtem Neudruck der Versuch gemacht wurde, die notwendige Frage nach dem unbekannten Verfasser zu beantworten. Im Gegensatz dazu hat Franz Schultz dem schwierigen Stoffe ein beharrliches, eindringendes Studium zugewandt und ein Buch über die „Nachtwachen“ zustande gebracht, das sich den früheren Arbeiten über den Gegenstand weit überlegen zeigt. Indem er die dunklen Wege der Überlieferung erhellte, gelang es ihm, die bisherigen Annahmen oder Angaben, als seien Schelling, Karoline, E. T. A. Hoffmann o. a. Verfasser des Buches, glatt und reinlich fortzuschaffen. Diesem ersten Teile des Buches, der aufräumt, steht zu erfreulicher Ergänzung der zweite, welcher aufbaut, gegenüber. Die „Nachtwachen“ werden ihrer Idee und Art nach in die Gedankenwelt des Gotthilf Schubertschen Kreises eingeordnet, und als ihr Verfasser wird Schuberts Freund Wetzel erschlossen. Dies letztere geschieht durch Prüfung der persönlichen Verhältnisse Wetzels, durch vergleichende Betrachtung seiner Schriften (von denen eine Liste aufgestellt wird, mit vorläufigem Ausschluß


  1. Der Verfasser der Nachtwachen von Bonaventura. Untersuchungen zur deutschen Romantik von Dr. Franz Schultz, Privatdozenten an der Universität Bonn [jetzt Professor an der Universität Straßburg]. Berlin, Weidmannsche Buchhandlung, 1909. VIII und 332 Seiten. 8 Mark.
Empfohlene Zitierweise:
Reinhold Steig: Friedrich Gottlob Wetzel als Beiträger zu Heinrich von Kleists „Berliner Abendblättern“. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen. Georg Westermann, Braunschweig 1911, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Steig_Wetzel_Berliner_Abendblaetter.djvu/1&oldid=- (Version vom 1.8.2018)