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Reinhold Steig: Über Grimms „Deutsche Sagen“. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen

Korrespondenz zwischen Grimms und Nicolai und die Familienbriefe an und von Ferdinand, soweit sie erhalten worden sind.

Die früheste Äußerung Jacobs zu Ferdinand ist vom 4. Februar 1816: „Nächste Ostern wird nun der erste Band unserer Deutschen Sagen herauskommen und fast dreihundert Stücke enthalten; nicht viel weniger bleiben zu dem folgenden über.[1] Du hast uns weniger dazu beigetragen, als ich von Deiner Lust an diesen Sachen, und Deinem Sinn für ihre getreue Sammlung früherhin gedacht hatte; oder Du müßtest etwa für Dich selbst etwas vorhaben wollen. Auch von andern Orten her hat man uns wenig mitgetheilt und es steht nun dahin, ob nach Erscheinung des Buchs selbst die Leute deutlicher merken, worauf es ankommt. Dobeneks Buch achte ich für sehr unreif und mitunter sonderbar verwirrt, aber in der Hauptsache hat er eine gute, wahre Meinung; gesammelt hat er wenig, wiewohl gerade auch einige bisher unbekannte Stücke aus Prätorius, die ich schon vor 6, 7 Jahren abgeschrieben hatte, eben darum aber auch jetzt nicht aus unserm Buch lassen mag.[2] Wir stellen vorerst die bloßen Sagen hin, ohne alle Noten noch Anhänge, wie bei den Märchen. Das muß demnächst ein besonderes Buch machen.“ Ähnlich äußerte sich Jacob unter demselben 4. Februar zu Arnim über die Sagen-Unternehmung.

Hierauf erwiderte Ferdinand aus Berlin unter dem 24. Februar 1816: „Es freut mich ungemein, daß ihr endlich anfangen wollt mit der Herausgabe der herrlichen deutschen Sagen. Aber ich weiß nicht, ob es nicht schöner wäre, gleich dabei Noten und Bemerkung zur Hand zu haben, da man doch manches gern vergleichen mag, wie man es kann bei den Kindermährchen. Doch ist es auch wahr, der eigentliche Zweck der Sache, nämlich dem Volk wieder zu geben, was von ihm gekommen, wird dann durch das Alleinstehen der Geschichten freundlicher, und auch das Buch für Jeden käuflicher. Nur dafür thut aber auch, und veranstaltet das Buch (das sonst immer schön und gut gedruckt seyn mag) so mäßig wie möglich im Preise, damit es auch dem ärmeren Käufer wirklich in die Hände kommen kann. Denn es ist zu arg, wenn Werke, die man verspricht, dem Volk wieder zu geben, sie ihm auf immer weg nimmt, wie es gegangen mit dem Buch der Liebe, Goldfaden, Narrenbuch u. a. … Schreibt mir doch ja, wann ihr meine gesammelten Beiträge haben wollt: ich habe


  1. Band I (1816) enthielt tatsächlich 362 Stücke, Band II (1818) zählt weiter, bei einigen Einschüben, bis Nr. 579.
  2. Dobenek, „Des deutschen Mittelalters Volksglauben und Hexensagen“, herausgegeben und mit Vorrede begleitet von Jean Paul, Berlin 1815 (im Reimerschen Verlage); vgl. Näheres darüber in „Arnim und die Brüder Grimm“, 1904, S. 339.
Empfohlene Zitierweise:
Reinhold Steig: Über Grimms „Deutsche Sagen“. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen. Georg Westermann, Braunschweig und Berlin 1916, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Steig_Ueber_Grimms_Deutsche_Sagen.djvu/9&oldid=- (Version vom 1.8.2018)