Reinhold Steig: Über Grimms „Deutsche Sagen“. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen | |
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Quellstellen vorgemerkt, aus denen Grimms je nach Bedarf für ihre auch mündlich begründete Sage geschöpft haben. Namentlich ist das schöne Wort des ob seiner Treue von dem Felsen der Wartburg herabgeschleuderten Mannes: „Thüringen gehört doch dem Kinde von Brabant!“ aus dem wunderlich trefflichen Buche von E. Brandes, Über den Einfluß und die Wirkungen des Zeitgeistes (Hannover 1810) 1, 164 entlehnt. Schwierigkeit macht der dritte Absatz der Sage von dem Eisenacher Bürger „Welspeche“, der, weil er den Meißnern nicht huldigen wollte, zweimal „mit der Blide“ in die Stadt geworfen, bis er beim dritten Male sein Leben verlor. Die Wörterbücher, hoch- wie niederdeutsche, gaben mir keine Auskunft über die Bedeutung von „Blide“. Nach der Form des Namens „Welspeche“, die in den verschiedenen Chroniken wechselt, und nach der „Blide“ ergibt sich, daß Grimms an dieser Stelle Rohtes thüringischer Chronik (bei Menken, Leipzig 1728, Sp. 1741) folgten: „Vnde do begreif hey eynen borger, der … hiez von Welspeche … den liez her in dy blidin, dy vor Warperg stunt, legin vnde en yn dy stad Isenache werffin.“ Aber was „Blide“ sei, darüber gaben mir weder hoch- noch niederdeutsche Wörterbücher Auskunft. Doch in Banges thüringischer Chronik (1599, Bl. 101) heißt es vom Bürger „Welsbach“: „Vnd der Marggraffe lies ihnen in eine Pleyden oder Schleuder legen, und drey stunde … in die Stadt Eisennach werffen usw.“ Ich habe also bei Grimms zur Erklärung hinter „Blide“ in Klammern „Schleuder“ zugesetzt.
Nr. 559 (Frau Sophiens Handschuh). Die Sage habe ich nach der thüringischen und hessischen Chronik in Senckenbergs Selecta juris et historiarum (Frankfurt a. M. 1735, III, 325) verglichen. Markgraf Heinrich von Meißen hat seiner Base, der Herzogin Sophie von Brabant, bereits das Land Thüringen wieder herauszugeben versprochen, da ward er wieder wankend gemacht, und zwar bei Grimms: „Wie er so im Reden stund, kam sein Marschall Helwig von Schlotheim, zogen ihn zurück und sprachen: Herr, was wollt ihr thun?“ usw. Wo kommt plötzlich der Plural „zogen“ und „sprachen“ her? Der Urtext zeigt den Sitz des Verderbens: „Wie nun also Marggrave Heinrich zu reden mit seiner Basen stund, da kam sein Marschalck Hellwig von Schlottheim, und sein Bruder Hermann, zogen den guten Fürsten zuruck und sprachen: O Herre, was wollet ihr thun“ usw. Ich habe demnach in Grimms Sage die versehentlich ausgefallenen Worte „und sein Bruder Hermann“ ergänzt.
Nr. 568 (Ursprung der von Malsburg). Grimms notieren als Quelle „Winkelmanns Beschreibung von Hessen VI. 127 (Bremen 1697)“. Daselbst wird auch die Sage erzählt, aber in einer Form, die bei ihnen ziemlich bedeutend umgearbeitet und vereinfacht ist.
Reinhold Steig: Über Grimms „Deutsche Sagen“. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen. Georg Westermann, Braunschweig und Berlin 1916, Seite 256. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Steig_Ueber_Grimms_Deutsche_Sagen.djvu/54&oldid=- (Version vom 1.8.2018)