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Reinhold Steig: Über Grimms „Deutsche Sagen“. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen

abzurunden. Der Ort, wo die Jagd und der Mord des alten Pfalzgrafen Friedrich geschah, ist bei Bange „in dem Holtze die Reysen genandt, am Münchenrodischen Felde“; nicht ganz korrekt und mit hessisch-dialektischem ß heißt es bei Grimms: „in das Holz, genannt „die Reißen, am Münchroder Feld“.“ Der junge Graf Ludwig sollte da nach dem Rate der Pfalzgräfin unerlaubt jagen: „dann so wollte sie ihren Herrn reizen und bewegen, ihm die Jagd zu wehren“. Das „dann“ steht nicht gut; da aber der Urtext einfach hat: „so wolte sie alsdann jhren Herrn dahin bewegen vnd anreitzen, das er sich vnterstehen solte, jhme solches zu wehren“, habe ich bei Grimms die Umstellung: „so wollte sie dann“ usw. vorgenommen. Während der alte Herr im Bade sitzt: „in dessen kömpt Graff Ludwig, lest sein Hörnlein schellen, vnd sein Hündlein bellen“ (Bange Bl. 43b), der Anklang von schellen und bellen ist offenbar und beabsichtigt. Bei Grimms ist er, aus Unbedacht oder Irrtum, verloren, wo steht: „Unterdessen kam Graf Ludwig, ließ sein Hörnlein schallen und seine Hündlein bellen.“ Zur Belebung des Sagenvortrages haben Grimms, wie öfters, so auch im folgenden die bei Bange schlicht erzählte Mitteilung der Pfalzgräfin Adelheid in die direkte Rede umgesetzt. Nach dem Morde des alten Pfalzgrafen heißt es bei Bange: „Die Pfaltzgräuin stalte sich … sehr kläglich. Rangk (sie) jhr Hende, Rauffte auß jhr Haar, damit sie keiner bösen That bezüchtiget würde“ – woraus Grimms mit einiger Freiheit machten: „Die Pfalzgräfin rang die Hände, und raufte das Haar, und gebärdete sich gar kläglich, damit keine Inzicht auf sie falle.“ Das Wort „Inzicht“ weist auf Beschäftigung und Vorliebe für altdeutsches Recht hin, die Sage ist wohl von Jacob nacherzählt; sie hilft also sicher früh mit, das fast verlorene Wort „Inzicht“ wieder in die Sprache zurückzuführen.

Nr. 549 (Reinhartsbrunn). Die Sage folgt Bange Bl. 49. 50, nicht Rohte, ob er gleich auch vorgemerkt ist. Es wird erzählt, wie Landgraf Ludwig „nach der Wartburg ritt, da saß ein Töpfer bei einem großen Brunnen“; Ludwig baut da eine Kirche, die; „nannte er von dem Töpfer und Brunnen Reinhartsbrunn“. Nur aus nachträglicher Überlegung findet man, daß der Töpfer „Reinhart“ geheißen haben müsse. Die Quelle aber bietet, bei Bange, gleich vorweg den Namen, nämlich „… bei einem grossen Brunne, der hies Reinhart“; ich habe daher „der hieß Reinhart“ auch bei Grimms eingesetzt. Den Namen des Töpfers bietet auch Rohte als Reinher.

Nr. 551 (Ludwig ackert mit seinen Adligen). Die Sage ist, wiewohl auch noch andere Quellen notiert sind, doch fast wörtlich aus Banges thüringischer Chronik Bl. 61 genommen. Eigentümlich ist dieser und anderen Nacherzählungen aus Bange, die ich

Empfohlene Zitierweise:
Reinhold Steig: Über Grimms „Deutsche Sagen“. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen. Georg Westermann, Braunschweig und Berlin 1916, Seite 254. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Steig_Ueber_Grimms_Deutsche_Sagen.djvu/52&oldid=- (Version vom 1.8.2018)