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Reinhold Steig: Über Grimms „Deutsche Sagen“. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen

König, „daß er ihnen ein solch Bleck Landes gäbe, das sie mit einer Ochsenhaut beziehen könnten,“ – in engem Anschlusse an das Original: „das er jhnen ein solch bleck Landes gebe, als sie mit einer Ochsenhaut beziehen könten“; auch das seltene Adjektiv „eine raume (= geraume) Stätte“ hat in dem Original seinen Grund.

Nr. 445 (Von König Karl und den Friesen). Die von Grimms benutzte Vorlage und 1818 angegebene Quelle, das „Altfriesengesetz ed. Wierdsma 1, 103–108“, war mir nicht zugänglich, so daß ich mich an Richthofens 1840 erschienene und „Jacob Grimm aus inniger Liebe und Verehrung gewidmete“ Friesische Rechtsquellen S. 439 f. wandte. Die Grimmsche Sage bietet unverständlich: „Da fuhr König Radbod aus dem Lande, und König wollte ein Ding halten“, der Urtext aber: „da foer di koningh Radboed wta lande, ende di koningh Kaerl wolde tingia“; es ist klar, daß hinter „König“ bei Grimms der Name „Karl“ ausgefallen ist. Weiter bei Grimms: „und (Karl) lud die Friesen, dahin zu ihm zu fahren, und sich ihr Recht erkören“, im Urtext: „ende layde da da Fresen tofara him, ende heet dat hya riucht ker“; Grimms sind bei ihrer Wiedergabe im zweiten Satzglied ausgebogen, das sie infinitivisch an das erste Verb angliederten, es muß also vor „erkören“ ein „zu“ eingeschoben werden. Mißverständlich ist die Stelle: „Des andern Tages hieß er sie, daß sie vor das Recht führen“, wo der Urtext bietet: „dis ora deis het hi, datse tofara dat riucht coem“ (daß sie zum Recht kämen), doch eine Änderung ist nicht möglich. Gegen Schluß heißt es bei Grimms: „Doch wußte niemand, wer der dreizehnte war“, der Urtext mit einem guten Zusatz: „doch ne wistet nimmen haet di tretteensta were, deer to hyarem commen was“ (der zu ihnen gekommen war), ohne daß man ihn freilich in Grimms Text einführen dürfte.

Nr. 447 (Des Teufels goldnes Haus). Die Brüder Grimm zitieren „Vita Sti. Wulframi“ ohne nähere Angabe und setzen hinzu: „Rhein. Mercur 1816 vom 4. Jan.“ Das Rätsel löst sich, wenn wir vergleichend in die bezeichnete Nummer des Rheinischen Merkurs blicken und gewahren, daß die Sage dort wörtlich von – Görres vorgetragen wird. Görres bespricht, wiewohl anonym, das „Taschenbuch für Freunde altteutscher Zeit und Kunst (Köln 1816)“, worin auch „ein Märchen von Grimm anmutig gesetzt“, und sagt seine Meinung über Caroves Ansichten der Kunst des teutschen Mittelalters. Er findet, daß Carove zu sehr „die nordische Skaldenkunst von dem deutschen Bardengesange“ getrennt habe, und fährt dann fort: „In der Lebensbeschreibung des heiligen Wolfram kömmt eine Begebheit vor, die ein helles Licht auf diesen genauen Zusammenhang Nordlands

Empfohlene Zitierweise:
Reinhold Steig: Über Grimms „Deutsche Sagen“. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen. Georg Westermann, Braunschweig und Berlin 1916, Seite 246. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Steig_Ueber_Grimms_Deutsche_Sagen.djvu/44&oldid=- (Version vom 1.8.2018)