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Reinhold Steig: Über Grimms „Deutsche Sagen“. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen

tatkräftiger Hilfe ins Leben tretende „Badische Wochenschrift“, wie sein Sinn neben den alten Liedern auch auf die Sammlung und Erhaltung der Sagen des Volkes gerichtet war. Ich habe vor zehn Jahren in die Neuen Heidelberger Jahrbücher (6, 62 ff.) einen Aufsatz über Frau Auguste Pattberg in Neckaretz, geb. von Kettner, geschrieben, eine Frau, deren gesegnetes Andenken noch heute unter den Leuten der Gegend dort lebt, und die seinerzeit in freundschaftlicher Verbindung mit Brentano auch eine größere Anzahl von Sagen in die „Badische Wochenschrift“ geliefert hat: denen die Brüder Grimm wiederum durch Verwertung und Aufnahme in ihre Sagensammlung unbeschränkte Dauer und Wirksamkeit verschafften.

Die „Badische Wochenschrift“ ist von Arnim dankbaren Sinnes als Vorläuferin seiner Einsiedlerzeitung gepriesen worden, die mit dem 1. April 1808 zu erscheinen begann. In das sehr weit abgesteckte Arbeitsgebiet, wie es sich nach den zahlreichen Werbebriefen an Schriftsteller und Gelehrte, die zur Mitarbeit gewonnen werden sollten, darstellt, war Arnim von vornherein willens, auch die ihm bekannten Stoffsammlungen der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm einzubeziehen. Sein Brief vom 18. Februar 1808 an Jacob spricht in rascher Kürze aus (Arnim und Grimms S. 6), was Brentano in Kassel mündlich ausführlicher besorgen konnte. Für die Sagen erhielt Jacob Grimm, zugleich im Namen seines Bruders Wilhelm, freies Feld, und er begann in Nr. 19 der Einsiedlerzeitung seine frühesten Gedanken auszusprechen, wie sich die Sagen zur Poesie und Geschichte verhalten. „In unserer Zeit“, sagt er, „ist eine große Liebe für Volkslieder ausgebrochen, und wird auch die Aufmerksamkeit auf die Sagen bringen, welche sowohl unter demselben Volk herumgehen, als auch an einigen vergessenen Plätzen aufbewahrt worden sind.“ In der Erörterung vernehmen wir schon die Vorklänge der Einleitung zu der späteren Sagensammlung, und hier bereits in der Einsiedlerzeitung stellt und beantwortet Jacob Grimm die Frage: „ob durch die Sammlung dieser Sagen ein Dienst für die Poesie geschehe“. Als Beispiele steuerte Grimm aus seinem Vorrat zwei Glockensagen bei, später in den „Deutschen Sagen“, über deren Stilverhältnis zueinander noch weiter unten zu handeln sein wird.

Diese beiden Sagen entflossen literarischen Quellen. So auch viele andere Sagen und Märchen, zu denen sich die aus dem Munde des Volkes aufgenommenen Erzählungen sagen- und märchenhafter Natur hinzugesellten. Die Sammlung besorgten sie der Hauptmasse nach allein, wurden aber auch von ihren Angehörigen, Freunden und Bekannten unterstützt. Grimms Briefe, soweit sie gedruckt sind, enthalten viele einzelne Angaben auch

Empfohlene Zitierweise:
Reinhold Steig: Über Grimms „Deutsche Sagen“. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen. Georg Westermann, Braunschweig und Berlin 1916, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Steig_Ueber_Grimms_Deutsche_Sagen.djvu/4&oldid=- (Version vom 1.8.2018)