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Reinhold Steig: Über Grimms „Deutsche Sagen“. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen

zu einem Angebot kam, das die Nicolaische Buchhandlung am 1. Juli 1817 Jacob Grimm machte. Das Schreiben selbst ist zwar nicht erhalten, aber am Kopfe des folgenden Briefes von Jacob steht seitens der Nicolaischen Buchhandlung notiert: „1. Juli ist ihm geschrieben: 1) der neue Band erscheint Ostern 1818. 2) Druck nicht in Göttingen, sondern Erfurt oder Halle. 3) Honorar statt 2 nur 1 Friedrichsdor, zahlbar gleich nach Ostern 1819, wenn wir auf die Kosten kommen.“

Auf diese beiden, die zweite die erste aufhebende, Zuschriften antwortete Jacob Grimm:

Caßel den 28. Juli 1817.     

 Ew. Wohlgeboren

danke ich für die Gefälligkeit, daß Sie auch den zweiten Band der Sagen verlegen wollen. Sie werden weder dabei wagen, noch es bereuen, denn das Buch enthält eine sorgfältige Sammlung von Dingen, die noch nicht zusammengestellt sind. Der Verzug ist mir das unangenehmste, indeßen ist es nicht meine Art, daß ich erst nochmals andern Verlegern neue Anträge machen möchte. Ich bitte mir blos einen Monat vorher zu melden, wann und an wen ich das Manuscript abzusenden habe, es ist noch an Kleinigkeiten letzte Hand zu legen und das thut man nicht gern lange voraus. Dem deutschen Buchhandel wird sein immer steigendes, ungeduldiges Wesen zuletzt Auflösung und andere Gestalt herbeiführen, es soll alles und mit jedem Werk in den ersten Meßen abgethan werden. Große Werke, die ruhig gearbeitet werden und sich darum auch ruhig verkaufen wollen, können, wenn nicht anderes Günstiges dazwischentritt, fast nicht mehr erscheinen. Wer hätte den Muth, Quartanten und Folianten voll Urkunden drucken zu laßen, wie noch vor 50 Jahren geschah?

Unter diesen Umständen werden Sie Sich wundern, daß ich Ihnen einen neuen Antrag thue, er ist von besonderer Art und von mir mehrfach überschlagen worden.

Ich habe seit mehreren Jahren durch fleißige unausgesetzte Arbeit eine Deutsche Grammatik zu stande gebracht, sie ist ganz ausführlich und geschichtlich und leitet, was noch nie geschehen ist, die heutige deutsche Grammatik aus der ältesten und mittleren ab, sie liefert daher eine vollständige Geschichte unsrer Sprache von Anfang bis zu Ende, ich habe den Ulfilas, Otfried pp kurz alle und jede Quelle mehrmals durchstudiert und bin auf die merkwürdigsten Entdeckungen gerathen. Es gibt in Deutschland nur eine gelehrte Grammatik, das ist die von Adelung, alle neueren von Reinbek, Heinsius und wie sie heißen mögen, sind oberflächliches Zeug. Adelung war gründlich, aber nicht historisch genug und sein ganzes System muß bei einer historischen Beleuchtung häufig zerfallen.

Empfohlene Zitierweise:
Reinhold Steig: Über Grimms „Deutsche Sagen“. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen. Georg Westermann, Braunschweig und Berlin 1916, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Steig_Ueber_Grimms_Deutsche_Sagen.djvu/16&oldid=- (Version vom 1.8.2018)