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Ei Ei, wie scheint der Mond so hell,
Wie scheint er in der Nacht.
Hab ich am frühen Morgen
Meim Schaz ein Lied gemacht.

5
Ei Ei, wie scheint der Mond so hell,

Ei Ei, wo scheint er hin.
Mein Schaz hat alle Morgen
Ein andern Schaz im Sinn.

Ei Ei, was scheint der Mond so hell,

10
Ei Ei, was scheint er hier.

Er scheint ja alle Morgen
Der Liebsten vor die Thür.

Ei Ei, was scheint der Mond so hell,
Ei Jungfer, wann ist’s Tag?

15
Es geht ihr alle Morgen

Ein andrer Freier nach.[1]


Vögel thut euch nicht verweilen,
Kommt eilet schnell herzu,
Wölfe höret auf zu heulen.,
Denn ihr stöhret meine Ruh.

5
Götter kommt und helft mir klagen,

Ihr sollt alle Zeugen sein,
Dürft ich es den Lüften sagen
Und entdeken meine Pein.

Wehet nur ihr sanfte Winde,

10
Bächlein rauschet nicht so sehr,

Fliesst und wehet jezt gelinde,
Gebt doch meinem Leid Gehör.

Äst und Zweige thut nicht wanken,
Bäum und Blätter haltet still!

15
Weil ich jezo in Gedanken

Euch mein Leid entdecken will.[2]


Grabschriften,
abgeschrieben auf einem Kirchhof im Odenwald.

 1.
So ist dann nichts in dieser Welt,
ist nichts in deiner Eltern Thränen,
Das dich o Kind! zurücke hält?
Hilft dann kein Sehnen?

5
O Herzeleid! o hartes Wort!

Jezt gebt die Freud und Hoffnung fort;
O Engel Kind, wie manche Zeit
hat uns dein angenehmes Lieben
Verkürzt – und uns erfreut:

10
Nun will der Tod uns so betrüben,

Ach! unser Herz vor Jammer bricht,
Weil schon die Blum verwelket ist.

 2.
Welt gute Nacht, behalt das deine,
Lass mir Jesum als das meine,

15
Denn von ihm will lassen nicht.

Behüt euch Gott, ihr meine Lieben,
Lasst mein’n Tod euch nicht betrüben,
Durch den mir so wohl geschieht.
Meine Leiden sind vollbracht,

20
Drum gute Nacht.

Wollt ihr euch nach mir sehnen,
Ach stillet eure Thränen,
Weil meine schon gestillet sind,
Jesus wischt sie von den Wangen.

25
Jezt werd ich den Kranz empfangen,

Den mir der Heiland selber band,
Und was er macht, ist gut gemacht,
Drum sag ich der Welt gutnacht.


  1. Aus der eigenhändigen Niederschrift der Frau Auguste Pattberg. In Des Knaben Wunderhorn 3, 23 bis 24 mit geringfügigen Abweichungen und der Aufschrift „Ey! Ey!“
  2. Aus der eigenhändigen Niederschrift der Frau Auguste Pattberg. In des Knaben Wunderhorn 2, 229 mit der Aufschrift „Gedankenstille“ und dem zwiefachen Versehen „Lied“ anstatt „Leid“ (Str. 3 ⁴ und 4 ⁴).
Empfohlene Zitierweise:
Reinhold Steig: Frau Auguste Pattberg geb. von Kettner. Koester, Heidelberg 1896, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Steig_Frau_Auguste_Pattberg.djvu/49&oldid=- (Version vom 1.8.2018)