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Weiss nicht, ob auf dieser Erden
Nach viel Trübsal und Beschwerden

15
Ich dich wieder sehen soll.


Was für Wellen, was für Flammen
Schlagen über mir zusammen,
Ach wie gros ist meine Noth!

Mit Geduld will ich es tragen,

20
Alle Morgen will ich sagen:

O mein Schaz, wann kommst zu mir.

Alle Abend will ich sprechen,
Wenn mir meine Äuglein brechen:
O mein Schaz, gedenk an mich.

25
Ja ich will dich nicht vergessen,

Wann ich sollte unterdessen
Auf dem Todbett schlafen ein,

Auf dem Kirchhof will ich liegen,
Wie das Kindlein in der Wiegen,

30
Das die Lieb thut wiegen ein.[1]

Es stehen die Sternlein am Himmel
Es scheinet der Mond so hell,
Wie reuthen die Todten so schnell;

Mach auf mein Schaz dein Fenster

5
Lass mich zu dir hinein

Kann nicht lang bei dir sein;

Der Hahn der thut schon krähen
Er singt uns an den Tag,
Nicht lang mehr bleiben mag.

10
Weit bin ich hergeritten,

Zweihundert Meilen weit,
Muss ich noch reuten heut;

Herzallerliebste mein!
Komm sez dich auf mein Pferd,

15
Der Weeg ist reutenswerth:


Dort drin im Ungerlande
Hab ich ein kleines Hauss
Da geht mein Weeg hinaus,

Auf einer grünen Haide

20
Da ist mein Haus gebaut,

Für mich und meine Braut,

Lass mich nicht lang mehr warten
Komm Schaz zu mir herauf,
Weit fort geht unser Lauf;

25
Die Sternlein thun uns leuchten,

Es scheint der Mond so hell,
Da reuthen die Todten so schnell.

Wo willst mich dann hin führen?
Ach Gott was hast gedacht

30
Wohl in der finstern Nacht,


Mit dir kann ich nicht reuthen
Dein Bettlein ist nicht breit,
Der Weeg ist auch zu weit,

Allein leg du dich nieder,

35
Herzallerliebster schlaf

Bis an den jüngsten Tag.[2]



  1. Aus der eigenhändigen Niederschrift der Frau Auguste Pattberg. Unverändert in Des Knaben Wunderhorn 2, 199 bis 200 mit der Aufschrift „Gruss. (Mündlich.)“, wofür in Erks Neubearbeitung 2, 198 „Gruss. (A. v. Arnims Sammlung.)“; indessen ist hier wie im Deutschen Liederhort die Herrichtung alleiniges Werk Ludwig Erks. Vgl. Birlinger und Crecelius 2, 184.
  2. Aus der eigenhändigen Niederschrift der Frau Pattberg; auf dem Blatte sind folgende Änderungen Brentanos ersichtlich:
    Str. 1.
    Es stehn die Stern am Himmel
    Es scheint der Mond so hell,
    Die Todten reiten schnell;
    Str. 9.
    Die Sternlein thun uns leuchten,
    Es scheint der Mond so hell,
    Die Todten reiten schnell.

    Nach dem so geänderten Manuskript in Des Knaben Wunderhorn 2, 19 mit der Aufschrift:
    Lenore.
    (Bürger hörte dieses Lied Nachts in einem Nebenzimmer.)
    Abgesehen von der äusseren Schreibung, weicht der Druck nur in „thät“ (Str.3 ¹), „meine“ (Str. 5 ¹) und „Weil“ (Str. 8 ³) von der Handschrift ab. In Erks Neubearbeitung 2, 19 zur Überschrift noch der Zusatz „Aus dem Odenwalde“. Siehe Birlinger und Crecelius 2, 263. Vgl. oben S. 85 ff. Jüngst komponiert von August Bungert: Neue Volkslieder nach alten und neuen Gedichten Op. 49, Nr. 70.
Empfohlene Zitierweise:
Reinhold Steig: Frau Auguste Pattberg geb. von Kettner. Koester, Heidelberg 1896, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Steig_Frau_Auguste_Pattberg.djvu/48&oldid=- (Version vom 1.8.2018)