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Reinhold Steig: Zur Entstehungsgeschichte der Märchen und Sagen der Brüder Grimm. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Litteraturen

und Fischer. Von Zimmer empfing sie 1808 in der Originalhandschrift Achim von Arnim. Er veröffentlichte das Märchen „Von den Machandel Bohm“ in einer Juli-Nummer seiner Einsiedlerzeitung. Über die Einzelheiten dieser Dinge, die ich nicht weiter verfolge, liegen uns in den Briefen der beteiligten Männer ausgiebige und leicht zusammenzubringende Nachrichten vor.

Arnims Veröffentlichung des Machandelbooms brachte den Freunden der deutschen Volkspoesie eine große Überraschung. Mit glücklicher Hand hatte er sofort den Punkt herausgehoben, in welchem das Märchen mit der gleichzeitig hervortretenden „romantischten“ Dichtung, die je geschrieben worden ist, dem Faust, in Wechselwirkung stand. Arnim that dar, daß die Verse des Märchens, die der schöne Vogel singt, in Gretchens irrem Liede im Kerker wiederklingen. So stellte Arnim seine und seiner Freunde neue Erwerbungen in dem noch unentdeckten Märchenlande unter den Schutz und die Oberhoheit Goethes.

Wir haben hier dieselbe Erscheinung wie gleichzeitig bei der Leonore des Wunderhorns, die Arnim zu Bürgers Ballade in Beziehung setzte. Gerade diese Vergleichungsmöglichkeit wird für Arnim der bestimmende Grund gewesen sein, weswegen er den Machandelboom zuerst drucken ließ. Das Märchen vom Fischer und siner Fru hat er nicht mehr selbst veröffentlicht. Ein Blick in die Einsiedlerzeitung genügt, zu erkennen, weshalb es nicht geschehen konnte. Für die paar Juli-Nummern, die ausstanden, war anderes Material in Masse vorhanden. Dann trat, durch Arnims Reise bedingt, die große Lücke im Erscheinen bis zum 27. August ein. Und die beiden Nummern nebst der Beilage, die überhaupt noch gegeben wurden, befaßten sich mit Dingen, zwischen denen ein Märchen nicht mehr hätte atmen können.

Arnim hielt niemals karg mit dem zurück, was er besaß. Freigiebig teilte seine Hand den Freunden mit. Heimreisend von Heidelberg überließ er die beiden Rungeschen Märchen seinen Freunden Grimm in Kassel, 1809, die sich zu ihren „Märchen“ und zu ihren „Sagen“ rüsteten. Schon begann sich damals, verschärft durch Wilhelm Grimms Arbeit an den altdänischen Liedern, ein Gegensatz zwischen Grimms in Kassel und Friedrich Heinrich von der Hagen in Berlin herauszubilden, den Arnims sachliche Behandlung der Dinge vorerst noch auszugleichen

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Reinhold Steig: Zur Entstehungsgeschichte der Märchen und Sagen der Brüder Grimm. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Litteraturen. Georg Westermann, Braunschweig 1907, Seite 282. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Steig_Entstehungsgeschichte_Maerchen_Sagen_Grimm.djvu/6&oldid=- (Version vom 1.8.2018)