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dem großen Speisesaale abgab, nahm die italienische Mandoline aufs Knie und begann, mit einem siegenden Blicke, welcher die Gewißheit ihres nahen Triumphs verkündete, das vorzügliche Instrument zu stimmen.

Adrian ergriff, während die Anwesenden lautlos sich verhielten, die Guitarre und auf Helenens graziöses Kopfnicken begannen die Stimmen und die Instrumente ein herrliches Duett.

Der böse Genius dieses Abends näherte sich indeß sehr rasch. Helene hatte eine Partie, wo zu Ende der ersten Strophe eine Cadenz mit einem herrlichen Triller folgen mußte. Adrian mußte natürlich pausiren. Er thats, während die Stimme der Sängerin in langem Aushauche dahinschwebte . . . Jetzt kam der Glanzpunkt der Piece . . . siegend, strahlend mußte sich der Triller dieser Silberstimme erheben . . . Da schlug Adrian einen Tact zu früh an; nieder, verloren war Helenens herrliche Ton-Figur, der Triller war abgeschnitten – und glühend, beschämt, wie eine Bildsäule, saß der duftende Doctor da, stumm und still.

Dann sprang er auf, als sich Helene höchst erzürnt ihm näherte, und eilig verließ er das Zimmer. Ein heimliches Gelächter durchlief den eleganten Kreis.

Da trat Neer vor und nahm die Guitarre, und seiner Beredtsamkeit gelang es, die Schöne zu bewegen, mit ihm einen abermaligen Versuch zu machen. Er fiel über Erwartung glänzend aus.

Dies war der erste Schritt, welcher den Maler der Brabanterin näher führte, die von diesem Abende an gegen Güldensteen eine heftige Abneigung empfand. Helene liebte den Maler im Stillen; Niemand hatte eine Ahnung davon, bis sie mit ihrem Geheimnisse offen hervortreten und sich als die Braut van der Neers ankündigen konnte.

Jetzt erst erfuhr Helene Du Chatel, daß Neer von seiner ersten Frau nicht weniger als sechzehn lebendige Kinder besaß. Sie trat demungeachtet nicht zurück, sondern reichte dem Geliebten die Hand am Altare; in der Folge schenkte sie ihm zu jenen 16 noch neun fernere Sprößlinge. Helene blieb schön bis an ihren früh erfolgten Tod; ihre Gemälde, womit sie die einigermaßen gedrückte Lage des Meisters wesentlich verbesserte, hatten damals Ruf, sind aber, indeß die Werke Eglons van der Neer noch immer Zierden der ersten Gemäldesammlungen sind, gegenwärtig verloren und vergessen!

Der Meister selbst starb, nachdem er sich zum dritten Male, mit einer Malerin Brekvelt in Düsseldorf, vermählt hatte, in letzterem Orte im Jahre 1703 im 60. Jahre seines Alters. Er war spanischer Hofmaler und lebte in Düsseldorf am pfälzischen Hofe in hohen Ehren.




Franz van Mieris.
Von ihm selbst.

An einem Februarabende des Jahres 1659 kehrten die Andächtigen der guten alten Stadt Leyden aus der in der prächtigen Peterskirche gehaltenen Fastenpredigt nach ihren Wohnungen zurück. Die breite Straße Leidens, eine Straße, wie sie die Metropolen Europas nicht schöner

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/77&oldid=- (Version vom 1.8.2018)