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erschüttert. Die junge Königstochter, das Siegel der Sanftmuth in dem reizenden Antlitze, tanzte vor ihrem Onkel, dem Könige, der ihr den Vater geraubt hatte, um die verbrecherische Herodias, ihre Mutter, zu heirathen, und rings um den stolzen Fürsten saßen seine Großen, Römer und Idumäer, welche das arme Land der Söhne Abrahams aussogen und knechteten. „Bitte von mir,“ rief der König entzückt über die Kunst der Jungfrau, „und wäre es die Hälfte meines Königreichs, so will ich Dir’s geben.“ Freudig eilt das Mädchen zur Mutter und fragt: „Was soll ich mir erbitten?“ „Das Haupt Johannes des Täufers!“ ruft die entsetzliche Herodias, denn Johannes hatte frei zum Könige gesprochen: „Es ist nicht Recht, daß Du Deines Bruders Weib hast.“ Bis dahin hatte die Rachsucht der Herodias nur erlangen können, daß der Täufer in’s Gefängniß geworfen wurde, denn Herodes liebte und fürchtete ihn zu gleicher Zeit als den vom Volke vergötterten Propheten Jehovahs, als den neuen Elias. Jetzt aber hatte er sein Wort der Salome vor hundert Zeugen gegeben und der König ließ Johannes sofort im Gefängniß enthaupten und das Haupt auf einer Schüssel dem Mädchen geben, welches das blutige, eines Tigers würdige Geschenk der Tigerin Herodias übergab.

Auf Dolce’s Bilde hält die Salome die goldene Schüssel mit dem Kopfe des Predigers in der Wüste, der dem Herrn den Weg bereitete, und auf den Gefilden ebene Bahn machte für Denjenigen, welcher mit Feuer und mit dem heiligen Geist die ganze Welt zu taufen gekommen war. Der bärtige, von dichten, dunklen Locken umflossene Kopf ist von höchstem Adel der Züge. Ein Contrast, wie er nicht mächtig wirkender gedacht werden kann, liegt zwischen diesem schönen, starren Mannskopfe und dem blonden Lockenhaupte der Königstochter, die, das Auge in verhaltenen Thränen schwimmend, sich mit erbarmungsvollem Entsetzen von dem Haupte des Täufers abwendet. Jedenfalls hat Carlo Dolce hier statt des ihm sonst eignen weichen Idealisirens eine volle, lebendige Charakteristik entwickelt, die diesem Gemälde eine Stelle unter den berühmtesten Stücken der italienischen Kunst sichern dürfte.




Der Pferdestall.
Von Philipp Wouverman.

Die Kunst der vollendeten Perspective, welche Wouverman inne hatte, zeigt sich auf diesem Stücke in vollem Glanze. Ein weites, luftiges Gebäude liegt dem Blicke offen und gewährt links durch einen gewölbten, mit Epheu malerisch behangenen Ausgang, gerade vorwärts durch eine von Holzbalken gestützte Ausluft einen Blick auf den Mittel- und tiefen Hintergrund, welcher hier besonders duftig und zart gehalten erscheint. Im Innern des Stalls herrscht ein bewegtes Leben von anmuthigster Wahrheit. Links reitet ein Cavalier, den man im Rücken sieht, von einem Bauer begrüßt, in die Landschaft hinaus, wo sich ein schwer beladener Esel zeigt, auf welchem ein Mann liegt. Ein zweiter noch im Stall befindlicher Reiter ist ebenfalls zum Abreiten

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 750. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/767&oldid=- (Version vom 1.8.2018)