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nur mit unwillkürlichem Vergnügen betrachten konnte. Der Bursch war höchstens dreiundzwanzig Jahre alt; seine schwarzen Augen zeigten den neckischen Schalk, auch wenn seine schmalen Lippen nicht so gutmüthig gelächelt hätten. Sein in langen Locken herabfallendes schwarzes Haar hätte eine Fürstin zieren können. Auf dem Kopfe trug er die Lagermütze, eine Art von Barett aus Fuchsfellen gemacht, mit großen Seitenklappen zum Niederschlagen bei schlimmen Regennächten. Jetzt standen diese Klappen, mit den Spitzen nach vorn gerichtet, unternehmend in die Höhe. Der Trompeter trug die Farben des französischen Königshauses und hatte einen schönen Waffenrock über sein ledernes Collet und eine breite, goldbefranste Schwertbinde. Die langen Stiefel der damaligen Reiterei waren so weit an den Schenkeln emporgestreift, daß sie das weite, dunkelrothe Beinkleid verbargen.

– Was befehlt Ihr, Lieutenant Gallois? fragte der Trompeter lächelnd.

– Bring’ diesen Brief nach dem Commandanten unserer Escadron und sag’ ihm: er habe hier zwar den Befehl, aber er werde gebeten, denselben nach geschehenem Durchlesen sofort zu verbrennen. Und er soll so wenig Aufsehen als möglich machen; doch muß er den Maler Terburg schaffen, er muß es . . .

In diesem Moment trat Niemand anders als Terburg selbst ins Gemach. Die beiden Soldaten sahen sich sehr betroffen an; Gallois aber faßte sich nicht so schnell als der schelmische Trompeter, welcher letztere sofort zum Grafen eilte, um ihm die unerwartete Nachricht zu überbringen. D’Avaux trat heraus und stand seinem verhaßten Nebenbuhler gegenüber.

Terburg winkte dem Grafen gebieterisch und d’Avaux verbeugte sich unwillkürlich, indeß er die Thür seines Cabinets öffnete und den Künstler eintreten ließ.

– Ich fordere Rechenschaft von Ihnen, Herr Graf, sagte Terburg. Eine Dame hat mir den Auftrag ertheilt, Sie für das unverantwortliche Benehmen zur Rechenschaft zu ziehen . . .

– Ah, gut, mein Herr! Sie sprechen von Alessandra Faletti! Aber glauben Sie in der That, daß ein Edelmann im Sinne haben konnte, eine Dame zu beleidigen?

Der Franzose sprach mit einer so bemerklichen Frivolität, daß Terburg, welcher noch keine Gelegenheit hatte, sich über den chamäleontischen Charakter des Grafen zu unterrichten, ihn erstaunt anblickte.

– Was wollen Sie weiter! sagte d’Avaux fast gutmüthig lächelnd. Ich habe Sie wahrlich noch nie so genau als heute Abend betrachtet; aber jetzt sehe ich, daß Signora Alessandra keineswegs zu verdammen ist, wenn sie den niederländischen Maler dem französischen Grafen vorzieht. Morbleu! Sie müssen indeß wissen, daß mich keineswegs blos die „rosige“ Liebe zu der eisenköpfigen Italienerin getrieben hat. Ich wollte von ihr Auskunft haben über eine Ehrenkränkung, die Sie mir zufügten . . .

– Ich? fragte Terburg.

– Ja! Warum haben Sie absichtlich den Grafen d’Avaux von Ihrem Gesandtenbilde ausgeschlossen? Wie, mein Herr! Alessandra hatte geäußert, daß ich auf ihren Betrieb von Ihnen ausgemerzt wurde? Eh bien! Es geziemt mir wohl, in diesem Punkte bei der Signora nach der Ursache ihres feindlichen Treibens zu forschen. Sie wies mich so lange ab, bis ich, endlich die Geduld verlierend, mir mit goldnem Schlüssel ihre wohlverwahrten Thüren öffnete. Statt aber sich zu entschuldigen, warf sie mir höhnend meine Unbedeutendheit vor, welche Sie zu verewigen

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 717. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/734&oldid=- (Version vom 1.8.2018)