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Welche Versprechungen, welche Schwüre strömte er hervor, Schwüre, die er feierlich zu halten entschlossen war . . . Nein! war die Antwort. Aber Eines errang er dennoch: Athanasia wollte ihn wiedersehen, wiedersehen, ohne daß Pater Felix es gewahr werden sollte. Sie beschwor ihn aber, er möge nicht, ihr zu gefallen, sein Leben abermals auf’s Spiel setzen. Mit geheimem Vergnügen, mit süßer Angst hörte sie es dennoch, daß Condé schwor: es werde nicht wieder Mitternacht, bevor er an ihrem Kammerfenster sei.

Condé zog einen herrlichen Ring aus seinem Busen.

– Es ist ein Andenken an diejenige, welche ich bisher am meisten liebte! sagte er mit bewegter Stimme. Er gebührt Dir, Athanasia, denn Du, meine Retterin, bist von heute an der Stern meiner Seele . . . Leb’ wohl, leb’ wohl . . . Einen Kuß . . .

Er raubte ihn der Widerstrebenden.

– Um Mitternacht! rief er ihr zu, warf noch einen Kußfinger zurück und eilte dann dem Lager seiner Soldaten zu.

Wie träumend, wie berauscht kam Athanasia in der Karthause an. Es war ein ganzes Lebensalter, das sie bis zur Nacht durchlebte. Sie war wie im Fieber. Wie bewachte sie jetzt jede Bewegung der Franzosen, der Baiern. Mit welcher Heftigkeit richteten sich die bisher zwanglos und ohne Ziel zerstreuten Gedanken auf den einen Gegenstand, der sich plötzlich zum Herrn ihres Innern gemacht hatte . . .

Am Abende erschien Condé allein, jedoch in Mannstracht, vor der Karthause; am andern Abende abermals; aber diesmal durfte er nicht draußen stehen.

Pater Felix aber rief seine Tochter in der Nacht, und kaum konnte der Prinz noch durch einen Sprung ins Freie entkommen. Der Jesuit sah aus dem Fenster und er mußte sich zu erkennen geben. Condé gab vor, er habe ihm Mittheilungen machen wollen: Freiburg solle überrumpelt werden; er erwarte von dem Pater Notizen über den Platz.

Diese Nachrichten gab der Jesuit mit großer Ruhe. Condé sah, daß seine Ausrede wahr gemacht werden, daß Freiburg einem Handstreiche unterliegen könne, und er theilte seine augenblicklich entworfene Disposition des Angriffs dem Pater mit.

– Ich werde an Eurer Seite sein, bemerkte Pater Felix, und werde Euch zum Sturme auf den schlecht gebauten und schlecht vertheidigten Thurm an dieser Stadtseite führen. Ich werde den Rector unseres Collegs für Frankreich vollends gewinnen, und für Geld finden wir reichlich Bürger und Soldaten, welche das Thor sammt dem Fallgatter im entscheidenden Augenblicke öffnen . . .

Der Angriff ward von dem Prinzen beschlossen. Er wollte am folgenden Morgen sehr früh zwischen den Schanzen durchbrechen und zuerst mit der Reiterei vordringen . . . Der Jesuit ward vollständig unterrichtet und beordert, sich bereit zu halten. Condé schied.

Am andern Morgen schienen plötzlich die Würgengel zwischen den Weinbergen zu hausen. Die erste Schanze ward – ein seltener Fall – von der französischen Reiterei genommen, und an der Spitze der Mousquetaires drang Condé fast unaufgehalten bis zu St. Ottilien vor. Der Jesuit erschien, grüßte den im kriegerischen Schmucke strahlenden Prinzen und führte ihn einen ansteigenden Weg hinauf zu den schweigenden Mauern, die von einem mächtigen Thurme überragt wurden.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 682. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/699&oldid=- (Version vom 1.8.2018)