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Mardi! sagte l’Hôpital, hätten wir gestern Abend diesen „todten Paß“ gewußt, so hätte ich meinen Ajax noch und meinen Degen und meine goldenen Sporen, und müßte nicht, par Dieu! hier wie ein Bergschotte spazieren.

– Ich segne unsre Unwissenheit! sagte der Prinz. Denn ohne diese würde ich wahrscheinlich nie das Glück gehabt haben, Athanasia zu sehen.

– Ein Glück ist das? fragte das Mädchen erstaunt. Ah, wohl; denn sonst wären Sie gefangen . . .

– Ich bin sicherer gefangen, als mich die Baiern je fangen werden . . .

Und nun begann Condé, der seine wahrste Zuneigung, seine Liebe zu der Tochter des Jesuiten mit jedem Augenblicke mächtig wachsen fühlte, von seinen Empfindungen hingerissen, seinen Angriff auf das Herz Athanasia’s. Er bot alle seine seine Kunst auf, um in die Seele des Mädchens nicht allein den Gedanken der Liebe, sondern auch des Liebesgenusses zu schleudern, und er erreichte, was er beabsichtigte: Athanasia’s Wangen glühten, ihr Auge ruhte auf ihrem Begleiter mit einem heißen, sinnenden Ausdrucke, sie ward ernster und ihre Stimme war unsicher geworden.

Nie wohl wäre Athanasia in so kurzen Minuten dem Prinzen so nahe gerückt, um von seinen Worten getroffen und im Herzen verwundet zu werden. Der Umstand, daß Condé als Mädchen neben ihr ging, daß sie anfangs nicht im Stande war, den Gedanken abzuwehren, dies sei wirklich ihre Freundin und kein schöner Jüngling, hatte sie unbefangen, heiter gemacht und sie dem Prinzen vertrauter gemacht, als es ein längerer freundschaftlicher Umgang vermocht haben würde. Sie war wirklich waffenlos von dem Prinzen überfallen, und er, er sorgte dafür, daß das Mädchen, so lange sie ihn begleitete, nicht aus diesem süßen Rausche der Empfindungen hinausgelangte, welcher das Erwachen der ersten Liebe begleitet.

Fern standen die baierschen Vorposten hinter den Wandelnden. Die Sonne stieg majestätisch über den Horizont, und vorwärts auf dem wellenförmigen Blachfelde traf ihr Strahl die breiten Hellebarden der Schweizer und die Schwerter der schweren Reitergeschwader, die in Linie rückten.

– Sie werden drüben angreifen, um den Condé zu holen! sagte dieser.

– Ja, und den l’Hôpital! ergänzte der Major.

– Diese köstlichen Minuten sind zu Ende, Athanasia! Ich muß eilen, damit diese Wahnsinnigen drüben sich bei ihrer miserablen Aufstellung hier nicht die Köpfe einrennen. Drum nur noch ein Wort, Mädchen! Geh voraus, Xavier!

– Ah, ich gehe, ich laufe schon! rief dieser, seine Röcke aufnehmend und sich in vollen Galopp versetzend. Mögen sie mich auslachen in meinem Schottencostüm . . . Aber da schwenkt meine Schwadron auf mit dem Esel, dem alten Courbière an der Spitze . . . . . He! Tonnerre! Hunde! Courbière, wo wollen Sie hin? Halte-là! Was wollen Sie mit meiner Schwadron anfangen, Herr von Courbière . . .

L’Hôpital, eine wahre Amazone, rannte mitten zwischen die Reiterei und stellte den dicken Hauptmann wüthend zur Rede . . . . Ein unauslöschliches Gelächter erfolgte . . . . Ein endloses Hurrah, in das allmälig die ganze französische Linie einstimmte, rollte von Corps zu Corps.

Condé versuchte es vergebens, Athanasia zu bewegen, ihm zum französischen Lager zu folgen.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 677. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/694&oldid=- (Version vom 1.8.2018)