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und sein Wamms ablegte und feierlich betheuerte, daß ihn nichts in der Welt zwingen werde, sich seiner kurzen Pluderhosen zu entledigen. Er vertiefte sich in die Welt, welche um ihn war, eine Welt, die so verschieden von den ihm genügend bekannten, prächtigen Cabinetten liebeskranker, großer Damen, und dennoch in ihrer Einfachheit unendlich reizender war. Träumerisch legte er endlich Athanasia’s Kleider an. Er hörte es kaum, daß Xavier in helles Lachen ausbrach, als er seinen neuen Feldherrn musterte, und übersah es, daß l’Hôpital gerade mit der gespreizten Grazie der Donna Maria Mancini, der Nichte Mazarins, wie zum Menuet antrat. Mit Gewalt fast zog ihn der Major mit sich fort in die Klause des Pater Felix.

Dieser lächelte ebenfalls; Athanasia aber betrachtete die beiden „Mädchen“, indeß sie hell auf zu lachen begann.

Diese Mädchen waren wahrlich nicht häßlich. Und als Athanasia erst dem Prinzen und dann seinem Begleiter das Haar aufgeflochten und dasselbe mit einer kleinen, steifen Haube geschmückt hatte, als der gefältelte Ringkragen um den Hals der „Schönen“ gelegt war, da hätten sie selbst unter Frauen für Frauen gelten können.

Der Morgen war hereingebrochen. Condé versicherte den Jesuiten seiner ewigen Dankbarkeit, umarmte ihn, schenkte ihm den Diamant seines Degens und machte sich dann zu der seltsamen Fahrt bereit, das französische Lager zu gewinnen. Athanasia versah die Freundinnen mit Reisetüchern, nahm selbst ein solches und ging mit einem merkwürdigen Muthe zu dem Officier der Feldwache, zwischen zwei Schanzen aufgestellt. Athanasia sprach einigermaßen deutsch, die Franzosen aber wußten kein Wort. Mit einer liebreizenden Schüchternheit standen sie einige Schritte entfernt, als Athanasia dem Baier verständlich machte, daß diese beiden burgundischen Mädchen, ihre Verwandtinnen, ihre Brüder zu sehen gekommen seien, die bei den Condé’schen Reitern dienten, und bat, daß man sie nicht aufhalten möge, ins französische Lager zu gehen.

– Ihr wollt Euern Bräutigam besuchen? sagte der Officier, sich Condé nähernd und ihm schmeichlerisch den starken, weißen Nacken klopfend, indeß er sehr geläufig französisch sprach. Eigentlich gönne ich Euch diesen Schelm-Franzosen nicht . . . Aber geht immerhin, wenn Ihr sie von uns grüßen und sie bitten wollt, uns sobald als möglich zu attakiren, damit sie die nothwendigen deutschen Hiebe ausgezahlt bekommen. Und Du sagst, wandte er sich an Athanasia, daß Du wieder zurückkehrst? Wo bist Du denn hier in Freiburg?

– Dort, in der Karthause der Väter Jesu wirthschafte ich! sagte Athanasia.

Das Wesen des Mädchens athmete eine solche kindliche Reinheit, daß der baiersche Schnurrbart es nicht wagte, die grob-witzelnde Antwort, welche ihm wegen dieser Auskunft auf den Lippen schwebte, auszusprechen.

Die drei Mädchen wanderten zwischen den Schanzen fort, oft von den Schildwachen angerufen und geneckt. Condé nahm Athanasia’s Arm, um sich ihrer zu versichern; dann musterte er mit Flammenblicken die Festungswerke, die Schanzen, die Zahl der Karthaunenschlünde, welche ihm entgegenstarrten, und jegliche Terrainverschiedenheit, mochte sie auch unbedeutend erscheinen.

– Hier, hier, murmelte er, werden wir in einigen Tagen einen heißen Strauß zu bestehen haben, Freund Xavier, oder Xavière. Hier will ich zur Nachtzeit meine ganze Reiterei durchbringen, ohne daß ich nur eine richtige Salve zu befürchten habe.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 676. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/693&oldid=- (Version vom 1.8.2018)