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– Bah! Wir würden schlechte Geschäfte machen, könnten die Herren nicht auf das Wort eines Condé-Bourbon (wohl von demjenigen eines bloßen Bourbons zu unterscheiden), ein Ding bauen, gleich dem alten Münster drüben in Freiburg.

Das bemerkte der Prinz in trocknem, fast frostigem Tone, indeß er seine, von den schönen Händen der Gräfin Louison de Vervières empfangene Schärpe losband. Gleich darauf stand er wieder am Fenster, drückte geräuschlos eine Scheibe ein, deren Splitter in den Falten der Schärpe hängen blieben, öffnete das Fenster und stand mit einem Satze dicht hinter dem Großvaterstuhle des Jesuiten.

Entsetzt öffnete dieser den Mund; zum Schreien kam er indeß nicht, denn der Prinz umarmte ihn und hielt ihm den Mund zu. In dieser zärtlichen Stellung, der sich der Jesuit, aus allen Kräften sich sträubend, in Todesangst zu entziehen suchte, fand folgende Unterhaltung Statt.

– Mein bester Pater! Mein theuerster, geehrtester Herr Pater! Einen Augenblick! Es geschieht Ihnen nichts, auf Ehrenwort, nichts! Aber beruhigen Sie sich! Wollen Sie zum Diantre? Schreien Sie, so kostet es mein Leben . . . . Ich steche Sie daher nieder, wenn Sie sich weiter rühren, oder nur einen Laut machen . . .

Diese Drohung machte dem Ringen und Zerren der beiden Herren ein plötzliches Ende. Das bisher sehr aufgetriebene Gesicht des Jesuiten ward bleich und fahl, und er setzte sich sehr ruhig wieder auf seinen Stuhl, durch Mienen und Gesten den Prinzen bedeutend, daß er unbedingt gehorchen werde.

– „Wollen Sie denn vernünftig sein, Pater Geronimo?“ fragte Condé, der auch jetzt seine Neigung zum Scherzen nicht verleugnete, mit dem Worte des ausgezeichneten spanischen Romanes: „der Ring“, der damals Paris entzückte.

– Ich heiße nicht Geronimo . . . . . bemerkte der Pater mit fast unhörbarer, fistulirender Stimme. Ich heiße Felix und bin Coadjutor dieses Hauses, wo auf den Befehl des ehrwürdigen Rectors des Collegs zu Freiburg eine Schule unseres Ordens angelegt wird . . . . Sie sind ein Franzose? Hat Condé die Baiern heute Nacht überfallen, besiegt: so bitte ich Sie, Herr Officier, mich glimpflich zu behandeln, denn ich bin selbst Franzose, bin zwar Katholik, aber Sie und die Soldaten Frankreichs werden es nicht minder sein als ich . . . Und dazu bin ich hier, um eben so wohl für die Interessen unserer allerheiligsten Religion, als für diejenigen Frankreichs, meines Vaterlandes, zu wachen . . . Mein Officier, eine schwere Verantwortlichkeit würde Sie treffen, wenn Sie es wagten, mich irgendwie zu verletzen, wenn Sie nicht allen Einfluß aufbieten wollten, um mir Schutz und Beistand zu gewähren!

Der Prinz blinzelte auf eine ungemein schlaue Art mit dem rechten Auge, aber eine Secunde genügte, um ihm zu zeigen, daß er durch eine Verheimlichung seiner wahren Lage dieselbe nicht verbessern konnte.

– Pater Felix, erwiderte er daher rasch, Ihr habt nicht meinen Schutz, sondern ich habe den Eurigen nachzusuchen. Condé hat die Baiern nicht besiegt; er hat sich vielmehr selbst besiegen lassen . . .

Der Jesuit nahm plötzlich eine sehr zuversichtliche Miene an.

– Der Prinz befindet sich in der Gewalt Mercy's, obwohl dieser selbst es noch nicht weiß . . . .

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 665. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/682&oldid=- (Version vom 1.8.2018)