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als diejenige, womit er seine Commando’s gab, wenn sein Sieg sich der Entscheidung nahte. Wir werden versuchen, was sich thun läßt. Du verstehst mich. Schlimmer als: todt und in die Hölle! läuft unser Versuch sicherlich nicht ab, und ich bin entschlossen, selbst dies Schlimmste hinzunehmen, wenn ich morgen früh nicht bei meinen Gardereitern sein soll. Komm, mein Xavier! Und sei mir nicht so kleinlaut und beschaulich! Schnalle den Degen fest; Du glaubst nicht, um wie viele Procente man sich leichter fühlt.

L’Hôpital schnallte den Degen sehr fest, schien aber davon keine besonders ermuthigende Wirkung zu spüren. Vorhin hatte der Major die Führung der nächtlichen Expedition übernommen; jetzt trat Condé wieder in das Recht des Befehlshabers ein. Statt die Stadt zu vermeiden, näherte er sich derselben. Er erreichte den sogenannten Schloßberg, wo die kleine Karthause zu St. Ottilien stand. Hier war Alles still; die Baiern hatten den heiligen Ort mit einer militairischen Besatzung verschont.

Vorsichtig umkreiseten die Franzosen die Karthause und suchten in die hohen, schmalen Fenster zu blicken, von denen zwei durch ein mattes Licht erhellt wurden. L’Hôpital vermochte nicht empor zu kommen; der Prinz aber, von ausgezeichneterer körperlicher Gewandtheit, kletterte so lange, bis er die Fensterbrüstung erreicht hatte.

Er sah in dem schmalen, gothischen Stübchen einen Geistlichen, der bei seiner klösterlichen Lampe ungeachtet der späten Stunde höchst eifrig mit Briefschreiben beschäftigt war. Dieser mochte draußen ein Geräusch gehört haben; denn er wandte sich um, schob sein Käpplein aus der Stirn und die ungeheure Brille in die Höhe und horchte einen Augenblick gespannt. Dann nahm er seine Arbeit wieder auf.

Condé hatte in dem einen Blicke viel gesehen. Der etwa fünfundvierzigjährige, ziemlich hagere Mann wies sich durch seine Tracht als einen Jünger Loyola’s, als ein Mitglied der Gesellschaft Jesu aus.

– Jesuiten! flüsterte der Prinz, wieder zur Erde herabsteigend; Xavier, mein Freund, Jesuiten!

– Ah, Dieu merci! murmelte l’Hôpital; Jesuiten! Ich hoffe wieder! Mit den Banditen läßt sich alles Mögliche anfangen.

– Und der Fuchs drinnen ist sicherlich ein Franzose! fuhr der Condé lebhafter fort. Sein wirres, langes Haar, seine Miene, besonders sein Blick ist so durchaus französisch, daß ich mich nicht irre, wenn ich sage, wir haben hier einen Landsmann – vielleicht einen Freund und Diener unseres verehrtesten Herrn Cardinals Mazarini und unserer glorreichen Frau Tante, Anna von Oesterreich, vor uns. Dieser Mann soll uns salviren und sollte ich heute Nacht alle meine Güter ihm und seinem vermaledeiten Orden verschreiben!

– Mein Prinz, ja! rief l’Hôpital, jetzt erst wahr und vollkommen seiner Angst um das Schicksal des Feldherrn ledig. Das ist der Punkt, den Ihr festhalten müßt; denn das ist der einzige, dem diese Teufel zugänglich sind. Und rückt nur gleich damit heraus, damit sie sich über unsere großartige Dankbarkeit nicht etwa irren und dem Mercy einen Wink geben, bevor wir mit ihnen auf dem Reinen sind . . .

Condé konnte kaum ein helles Gelächter unterdrücken.

– Ob sie bekommen, was Ihr ihnen versprecht, wird sich am Schlusse unserer Rechnung finden.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 664. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/681&oldid=- (Version vom 1.8.2018)